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25 Jahre Aktionsbündnis Brandenburg
Am 17. Juni 2022 feierte das Aktionsbündnis Brandenburg sein 25-jähriges Bestehen im Rahmen seines 59. Plenums in Potsdam.
„Angesichts der zunehmenden rechtsextremistischen Gewalt in Brandenburg soll künftig ein ,Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit‘ vorbeugende Maßnahmen besser koordinieren“, hieß in einer Meldung des Evangelischen Pressedienstes (epd) im April 1997. 29 Organisationen gründeten damals auf einen Kabinettsbeschluss der Landesregierung hin das Aktionsbündnis. Heute, 25 Jahre später, umfasst der Zusammenschluss fast 90 Mitglieder – landesweite Verbände und Organisationen genauso wie regionale Initiativen und lokale Bündnisse.
Über all diese Jahre hinweg setzt sich das Aktionsbündnis ein für eine vielfältige offene Gesellschaft, ohne Rechtsextremismus und Rassismus. Am 17. Juni 2022 wurde das gefeiert – unter anderem mit einem neuen Mitglied: Denn das Aktionsbündnis stimmte einstimmig für die Neuaufnahme des Bündnisses „Müncheberg ist bunt“. Dieses engagiert sich seit 2020 für respektvolles und solidarisches Miteinander in der Kleinstadt in Märkisch-Oderland und beeindruckte die Anwesenden durch einen lebendigen Bericht über die eigene politische Arbeit.
Die Geschäftsstelle und der Landesjugendring berichteten den Mitgliedern gemeinsam über den aktuellen Stand im Projekt „Koordinierungsstelle Stolpersteine“. In den vergangenen zweieinhalb Jahren wurde beim Aktionsbündnis eine Datenbank mit allen ca. 1.100 in Brandenburg verlegten Stolpersteinen angelegt, aus der im Jahr 2020 eine Website unter anderem mit kartografischer Darstellung der Stolpersteine entstanden ist. Damit verfügt Brandenburg als erstes Flächenland über eine solche Übersicht. In diesem Jahr soll es vier regionale Workshops zum Thema Stolpersteine geben sowie eine Tagung zur Vernetzung der Initiativen und zum inhaltlichen Austausch. Die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre hat allerdings gezeigt: Für die Verstetigung der erinnerungspolitischen und pädagogischen Arbeit mit den Stolpersteinen bedarf es einer Koordinierungsstelle mit eigenen Personalstellen. Das Aktionsbündnis Brandenburg und der Landesjugendring Brandenburg sind sich darüber einig, dass eine solche Koordinierungsstelle Stolpersteine eine entsprechende finanzielle Ausstattung braucht, um die begonnene Arbeit sinnvoll fortzuführen und um die lokalen Initiativen angemessen unterstützen zu können.
Wir sind nicht neutral
Im Anschluss an das 59. Plenum des Aktionsbündnisses kamen über hundert Menschen im Schirrhof vor dem T-Werk im Potsdamer Kunst- und Kulturquartier Schiffbauergasse zusammen. Der Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Superintendent Thomas Wisch, bezog sich auf einen Beschluss des Bündnisses aus dem Jahr 2020 und bekräftigte: „Für uns gilt nach wie vor: Wir sind nicht neutral. Wenn demokratische Werte sowie Grund- und Menschenrechte angegriffen oder verächtlich gemacht werden, müssen wir dies benennen und zurückweisen.“ Weiter führte er aus: „Wir treten ein gegen rassistische Hetze von Neonaziparteien wie dem Dritten Weg, Verschwörungserzählungen durch das rechtsextreme Compact-Magazin oder demokratiefeindliche Positionen aus der Brandenburger AfD“.
Nach Thomas Wisch sprach Ministerpräsident Dietmar Woidke zu den Gästen aus Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung. Er erinnerte an die Menschen, die in den 1990er Jahren durch rechtsextreme Gewalt starben: „Es ging um Fälle wie den Fall von Kajrat Batesov, es ging um den Fall von Wolfgang Auch, es ging um den Fall von Noël Martin, es ging um Belaid Baylal, Amadeu Antonio, Peter Konrad, Emil Wendland, Dieter Manzke, Bernd Köhler, Farid Guendoul, Andrzej Frątczak, Marinus Schöberl, Falko Lüdtke und noch viele andere.“ Der Kampf gegen Rechtsextremismus, so Woidke weiter, habe sich jedoch geändert: „Er ist heute vielleicht sogar noch ein bisschen schwieriger zu führen als in den 1990er Jahren. In den 1990er Jahren gab es diese Skinhead-Banden mit Springerstiefeln und weißen Schnürsenkeln, heute kommen sie im feinen Zwirn daher und sitzen im Landtag.“
Ein Bekenntnis zur Freundlichkeit der Welt
Auch die Schriftstellerin Manja Präkels warf einen Blick zurück in die Anfangsjahre des Aktionsbündnisses: „Ich habe nie in meinem Leben wieder solche Angst haben müssen wie damals in den 1990ern hier in Brandenburg.“ Und sie sprach die unrühmliche Rolle des brandenburgischen Verfassungsschutzes im NSU-Komplex an und sagte bezogen auf die Gegenwart: „Nachdem aktuell selbst der Verfassungsschutz auf die akute Gefahr von rechts hinweist, wird wieder überdeutlich, dass wir uns aktiv gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit wehren müssen. Und keine einzige im Stich lassen dürfen. Dies ist ein Bekenntnis zur Freundlichkeit der Welt. Sie kann es gebrauchen. Und Taten noch mehr.“
Manja Präkels Rede können Sie hier im Player noch einmal anhören.
Nach ihrer berührenden Rede bat Thomas Wisch die frühere Leiterin der Geschäftsstelle und den ehemaligen Referenten auf die Bühne: Anna Spangenberg und Jonas Frykman haben die Arbeit des Aktionsbündnisses über viele Jahre begleitet. Der Aktionsbündnis-Vorsitzende wollte von beiden wissen, welche Ereignisse sie im Rückblick als besonders prägend wahrgenommen haben. Anna Spangenberg betonte: „Wir haben immer wieder versucht, den Zusammenhalt miteinander zu spüren, solidarisch zu sein.“ Sie erinnerte an die Erfahrungen angesichts der Proteste gegen einen Neonaziaufmarsch in Neuruppin im Jahr 2011. „Wir waren uns einig, dass es verschiedene Aktionsformen geben kann, mit denen wir solidarisch den Zusammenhalt auf der Straße zeigen und klar in unserer Rolle sein werden: dass wir, die Zivilgesellschaft, es nicht zulassen wollen, dass Neonazis diese Straße in Neuruppin bekommen oder eine Straße im öffentlichen Raum in Brandenburg.“ Die Diskussionen um den Polizeieinsatz in Neuruppin bestärkten das Aktionsbündnis in seinem im Mai 2011 beschlossenen Vorhaben, eine Arbeitsgruppe einzurichten zum Thema „Rechte Aufmärsche und demokratische Proteste“.
Jonas Frykman rief das 20. Jubiläum des Aktionsbündnisses ins Gedächtnis: „Alle Gäste, alle Mitglieder hielten eine rote Karte in die Luft. Auf der Karte stand das Staatsziel aus dem Artikel 7a der Landesverfassung. Das war die Überschrift, die wir als Aktionsbündnis uns damals gegeben haben, um unsere Differenz zur Alternative für Deutschland kenntlich zu machen. Das war eine Einheit, eine Klarheit in diesem Moment, die nicht selbstverständlich war.“ Der Text „Für ein friedliches Land Brandenburg ohne Rassismus“ wurde damals in einer Arbeitsgruppe erarbeitet. „Wir haben es geschafft, in dieser Frage Kompromisse zu finden, die gut sind. Kompromisse, die uns geholfen haben mit einer Stimme wieder zu sprechen“, so Jonas Frykman.
Impulse für die Zukunft
Frauke Büttner, Leiterin der Geschäftsstelle, nahm diese beiden Fäden auf und erläuterte den weiteren Verlauf des Abends. An fünf thematischen Stationen wurden im Folgenden Schlaglichter auf die Geschichte des Aktionsbündnisses geworfen.
In dem Schlaglicht Rechte Aufmärsche und demokratische Proteste ging es unter anderem um die gleichnamige, Arbeitsgruppe, in der sowohl verschiedene Protestformen als auch das Zusammenspiel von Politik, Verwaltung, Polizei und Zivilgesellschaft untersucht und diskutiert worden waren. Das Schlaglicht Rechtsextremismus im Parlament griff die Rote Karte gegen Rechtspopulismus auf und beschäftigte sich darüber hinaus mit aktuellen demokratiefeindlichen Herausforderungen und der Frage des sogenannten Neutralitätsgebots. In einem weiteren Schlaglicht wurde über die Verhinderung der Naziaufmärsche in Halbe gesprochen, wo es dem Aktionsbündnis Brandenburg zusammen mit unserem Mitglied, dem Aktionsbündnis gegen Heldengedenken und Naziaufmärsche in Halbe, erstmals gelang, die verschiedenen Akteure zusammenzubringen. In dem Schlaglicht Brandenburg für alle wurde unter anderem über die vielen Willkommensinitiativen gesprochen, die seit 2014 überall in Brandenburg entstanden sind und von denen einige ihre Arbeit in den letzten Monaten wieder erneut intensiviert haben. Ein Schwerpunkt der Diskussion lag dabei auf der Frage der Beteiligung von Geflüchteten in den Initiativen. Bei dem Schlaglicht NSU-Komplex und Rassismus wurde deutlich, dass auch heute noch – über zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU und zwei Jahre nach Ende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Brandenburg – viele Fragen offen geblieben sind. Dies hatte das Aktionsbündnis bereits bei seinem vorherigen Plenum im Herbst 2021 mit seinem Statement „Kein Schlussstrich!“ deutlich gemacht.
In den Schlaglichtern wurde aber auch über die Frage nachgedacht, die Frauke Büttner allen zu Anfang mit auf den Weg gegeben hatte: Was wollen wir für Impulse daraus für die Zukunft mitnehmen? Eine weitere Frage, die die Leiterin der Geschäftsstelle den Anwesenden zuvor gestellt hatte, lautete: Was verbindet ihr mit 25 Jahren Aktionsbündnis Brandenburg? Die Antworten hierzu wurden auf Karten gesammelt. Nach den Austauschrunden wartete schon das Improtheater Potsdam, welches die Karten mit den Antworten nutze, um daraus schauspielerisch zu improvisieren. Zum Erstaunen der Schauspieler_innen Mechthild Klann und Georg Weisfeld enthielten gleich mehrere Karten den Slogan: „Bunt statt Grauland“.