Wahl 2024: Was sagen die Parteien?
Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Viele Engagierte machen sich Sorgen, wie es nach der Wahl weitergeht. Wie stehen die demokratischen Parteien zu Themen, die uns als Aktionsbündnis und Engagierte aus der Zivilgesellschaft besonders bewegen? Wir haben nachgefragt!
In Brandenburg bieten die SPD, die CDU, Bündnis90/Die Grünen, die LINKE und die FDP sogenannte Wahlprüfsteine an. Man kann den Parteien bis zu zehn Fragen schicken und sie verpflichten sich, diese zu beantworten. Die einzelnen Fragen, die wir gestellt haben, finden Sie mit den jeweiligen Antworten hier.
Klare Kante gegen Rechtsextremismus
Für uns als Aktionsbündnis Brandenburg ist es wichtig, klare Kante gegen Rechtsextremismus zu zeigen. Daher wollten wir wissen, wie das die einzelnen Parteien sehen, vor allem auch in Hinblick auf die in weiten Teilen rechtsextreme Brandenburger AfD. Am kürzesten ist hier die Antwort der CDU: „Die CDU geht keine Koalition oder koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit der AfD ein.“ Was andere Formen der Zusammenarbeit angeht, dazu äußert sie sich nicht. Hier sind die anderen Parteien ausführlicher: Bei der SPD ist eine Zusammenarbeit „in jedweder Form ausgeschlossen“, auch die LINKE lehnt eine Zusammenarbeit ab – „auf welcher Ebene auch immer“. Ähnlich positioniert sich Bündnis90/Die Grünen, die noch ergänzen: „Die AfD ist keine Partei des demokratischen Spektrums und darf von uns auch nicht als solche behandelt werden.“ Die FDP stellt fest, dass sie sich als Partei mit allen „Grundüberzeugungen und Prinzipien“ als „Gegenpol zur AfD“ begreift und sie es daher „auf allen Ebenen und in jeder Hinsicht“ ablehnt, mit der AfD zusammenzuarbeiten.
Unterstützung für Kommunalpolitiker*innen
Aber wie sieht es mit der Unterstützung für Aktive in der Kommunalpolitik aus? Hier ist seit einiger Zeit eine Zunahme von Anfeindungen zu beobachten. Nicht zuletzt mit Blick auf die Ergebnisse der Kommunalwahlen im Juni ist es wichtig, gerade denjenigen den Rücken zu stärken, die sich eindeutig gegen Rechtsextremismus positionieren. SPD, die LINKE und Bündnis90/Die Grünen bieten durch ihre kommunalpolitischen Vereinigungen Fort- und Weiterbildungen für haupt- und ehrenamtliche Kommunalpolitiker*innen ihrer Partei oder ihrer Partei nahestehende Parteilose an. Die CDU teilt mit, dass dies regelmäßig Thema bei den Präsidiumssitzungen ist und sie bei Bedarf Expert*innen vermitteln kann. Die FDP möchte den Austausch und die Vernetzung mit den kommunalen Mandatsträger*innen fördern, um gemeinsam Strategien zu entwickeln. Auf Austausch setzen auch SPD, Bündnis90/Die Grünen und die LINKE.
Schutz von Betroffenen
Etwas stärker auseinander gehen die Antworten bei unserer Frage nach dem Schutz Betroffener rechter und rassistischer Gewalt. Die LINKE stellt sich eindeutig hinter die Betroffenen und will die Förderung des Vereins Opferperspektive erhöhen. Nachholbedarf sieht die Partei allerdings im Themengebiet Antiziganismus. Bündnis90/Die Grünen sprechen sich für die Beschleunigung von juristischen Verfahren aus, und die FDP möchte die Justiz und die Strafverfolgungsbehörden in diesem Bereich stärken. Bündnis90/Die Grünen wollen darüber hinaus die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität erweitern und verweisen – ähnlich wie die SPD – auf eine Stärkung der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“. Fordern Bündnis90/Die Grünen die Einsetzung einer*eines Opferschutzebeauftragten, wollen SPD und CDU eine Opferschutzstelle schaffen. Die CDU betont zugleich, dass es für sie keine Rolle spiele, „ob die Betroffenen Opfer politischer Gewalt von rechts- oder von linksaußen sind“. Eine ähnliche Formulierung findet sich bei der CDU an anderer Stelle: „Im Übrigen unterscheiden wir nicht zwischen ,rechter‘ und ,linker‘, ,böser‘ oder ,guter‘ Gewalt. Alle Betroffenen, die Opfer antidemokratischer Anfeindungen geworden sind, müssen sich – unabhängig von ihrem Parteibuch – auf unseren Rechtsstaat verlassen können.“
Das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg
Das Aktionsbündnis Brandenburg wird gefördert durch die Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ und ist seit vielen Jahren Teil von dessen Beratungsnetzwerk. Auch viele andere Demokratieprojekte erhalten hierüber finanzielle Unterstützung. Es war uns daher ein Anliegen,, die Position der Parteien zum Toleranten Brandenburg zu erfahren. Erfreulicherweise betonen vier von fünf Parteien die Verdienste des Toleranten Brandenburgs. Die LINKE bezeichnet es als „Grundpfeiler des zivilgesellschaftlichen Lebens“ im Land, auch Bündnis90/Die Grünen finden die Bedeutung „herausragend“ und für die SPD ist es das „Flaggschiff im Kampf für Freiheit, Toleranz und Weltoffenheit“. Bündnis90/Die Grünen fordern zusätzlich die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes. Sie alle wollen das Tolerante Brandenburg zukünftig stärken und finanziell ausreichend ausstatten, SPD, LINKE und FDP wollen es darüber hinaus „weiterentwickeln“, um es den veränderten Anforderungen besser anzupassen. Leider geht keine der Parteien näher darauf ein, wie eine solche „programmatische“ (FDP) Weiterentwicklung konkret aussehen soll. Es steht aber zu vermuten, dass die Vorstellungen darüber auseinandergehen.
Einen Hinweis liefert die CDU: „Mit der Einführung einer regelmäßigen Evaluation der Projekte steht eine Wirkungsanalyse zur Verfügung, auf deren Grundlage die Handlungskonzepte angepasst werden können.“ Grundsätzlich ist die CDU der Meinung, dass das Tolerante Brandenburg ein Baustein für die Extremismusprävention ist – aber nur einer neben der Arbeit des Ministeriums des Innern und für Kommunales (MIK), des Verfassungsschutzes und der Strafverfolgungsbehörden und der Justiz. Die CDU, das ist in verschiedenen ihrer Antworten erkennbar, sieht im Extremismus vor allem ein sicherheitspolitisches Problem. Folgerichtig möchte sie die Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ in die Zuständigkeit des MIK statt wie bisher der Staatskanzlei überführen. Die CDU will damit dem „künstlichen Gegensatz zwischen Zivilgesellschaft und staatlichen Institutionen“ entgegenwirken. Darüber hinaus soll das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ seine zu starke Ausrichtung auf den Rechtsextremismus aufgeben und „Extremismus jeglicher Art in den Fokus rücken“. Auch soll das Aussteigerprogramm wageMUT des Verfassungsschutzes erweitert werden.
Durch die Einbeziehung des Aussteigerprogramms und durch die Überführung des Toleranten Brandenburgs in die Zuständigkeit des MIK sieht die CDU die Voraussetzungen geschaffen für eine überjährige Projektförderung. Momentan haben nämlich die meisten Förderungen im Bereich der Demokratiearbeit einjährige Laufzeiten, was für viele Projekte große Planungsunsicherheit bedeutet. Einen ganz anderen Ansatz verfolgen hier Bündnis90/Die Grünen und die LINKE. Sie sprechen sich für mehrjährige Förderungen aus, kombinieren dieses aber mit der Forderung nach einem Brandenburger Demokratiefördergesetz. Während Bündnis90/Die Grünen darauf hinweisen, dass im Falle von Kürzungsplänen öffentlicher und zivilgesellschaftlicher Druck zum Beispiel von Demonstrationen und Straßenaktionen „einiges bewirken“ könne, betont die SPD, dass sich ihre Förderpolitik der letzten Jahre bewährt habe und dass es zu keinen kurzfristigen Ausfällen von Fördermitteln kommen werde.
Koordinierungsstelle Stolpersteine
Seit vielen Jahren verlegen Engagierte im Land Brandenburg zur Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus Stolpersteine. Das Aktionsbündnis Brandenburg hat alle im Land verlegten Steine in einer Datenbank gesammelt und die Informationen über eine Website zugänglich gemacht. Diese Arbeit bedeutet für die Initiativen eine wichtige Wertschätzung, ist aber aus den Ressourcen der Geschäftsstelle des Aktionsbündnisses kaum leistbar. Das Aktionsbündnis fordert daher die Einrichtung einer Koordinierungsstelle Stolpersteine für das Land Brandenburg. Die LINKE schließt sich dieser Forderung an und verweist auf die bewährte Arbeit der Koordinierungsstelle in Berlin. Bündnis90/Die Grünen sehen in den Stolpersteinen ebenfalls einen wichtigen Grundpfeiler der Erinnerungskultur und regen an zu prüfen, wo in der Landesverwaltung eine solche Stelle sinnvoll anzusiedeln wäre. Skeptischer zeigt sich die SPD, die aber immerhin zur Prüfung des Vorhabens bereit ist. Die FDP hingegen hält eine solche Koordinierungsstelle nicht für notwendig. Die CDU geht noch weiter, indem sie mitteilt: „Eine weitere Zentralisierung in einer quasi verstaatlichten landesweiten Koordinierungsstelle ist aus unserer Sicht … eher kontraproduktiv und hat wenig mit zivilgesellschaftlichem Engagement zu tun.“ Warum die Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements kontraproduktiv sei, erklärt die CDU nicht.
Forschung zu Rechtsextremismus und Rassismus
Aufklärung ist ein Grundstein in der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Diese Aufgabe sollte nicht nur dem Landesamt für Verfassungsschutz obliegen, sondern es braucht zudem unabhängige wissenschaftliche Forschung zu rechtsextremen Strukturen und Netzwerken. Die Emil Julius Gumbel Forschungsstelle des Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam leistet hier bereits hervorragende Arbeit. Das Aktionsbündnis würde es sehr begrüßen, wenn diese Arbeit angesichts der aktuellen Herausforderungen ausgebaut werden würde. Die LINKE, Bündnis90/Die Grünen und FDP sind ebenfalls der Meinung, dass die unabhängige wissenschaftliche Forschung zum Thema Rechtsextremismus als Grundlage für effektive Präventionsarbeit gestärkt werden sollte. Die SPD hingegen zeigt sich mit dem Ist-Zustand zufrieden und würde die Forschungsstelle bei aller Wertschätzung in dieser Form beibehalten. Die CDU spricht sich allgemein dafür aus, dass Wissenschaft auskömmlich finanziert werden müsse, betont aber, sich in die Forschung nicht einmischen zu wollen. Dies dürfte als Absage an weitergehende Forschungsprogramme zum Thema Rechtsextremismus zu verstehen sein.
Humanitärer Umgang mit Schutzsuchenden
Als Aktionsbündnis Brandenburg sehen wir, dass rassistische Stimmungsmache und die Ausgrenzung von Geflüchteten auch in Brandenburg zugenommen haben. Viele unsere Mitglieder machen sich Sorgen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ähnlich sehen dies Bündnis90/Die Grünen und verurteilen die Stimmungsmache auf dem Rücken von Geflüchteten. Mehr noch: „Wir setzen uns uneingeschränkt für flüchtende und geflüchtete Menschen ein.“ Bündnis90/Die Grünen lehnen sowohl Bezahlkarte als auch Arbeitspflicht ab und treten ein für „Lösungen statt Hass und Hetze“, zum Beispiel durch ein Brandenburger Integrationsgesetz. Auch der LINKEN ist es ein hohes Anliegen, die Debatte auf Basis universeller Menschenrechte führen. CDU und FDP betonen ebenfalls die Bedeutung universeller Menschenrechte. Die CDU fügt hinzu: „Menschen, die eine andere Position haben, schließen wir jedoch nicht aus, sondern wollen sie mit unseren Argumenten und nicht mit Sprachverboten und belehrenden Vorgaben, wie sie die Menschenrechte zu verstehen haben, für uns gewinnen.“ Die SPD bekennt sich zum Grundrecht auf Asyl, für sie steht Brandenburg für Humanität und Solidarität. Allerdings spricht sie auch davon, dass der Asylkompromiss durchgesetzt werden müsse und es für die Rückführung von Geflüchteten Migrationsabkommen brauche.
Jugend und Rechtsextremismus
Rechtsextremismus ist auch unter jungen Menschen ein ernstzunehmendes Problem. Gerade die Schule muss ein angstfreier Raum für Kinder und Jugendliche sein. Das sieht auch die LINKE so und fordert eine aktive Jugendpolitik und eine Politik, die sich stärker um die Interessen junger Menschen kümmert. Gegenüber rechtsextremen Jugendlichen spricht sie sich für aufsuchende Jugendsozialarbeit aus. Bündnis90/Die Grünen wollen die Arbeit der RAA (Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie) mit ihren Schulberater*innen verstärken und für jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt mindestens zwei Koordinator*innenstellen finanzieren. Sie wollen Schulen „aktiv bei der Prävention und Bekämpfung von rechtsextremen Vorfällen unterstützen und entsprechende Beratungs- und Hilfestrukturen schaffen“. Grundsätzlich geht es ihnen um eine offene, demokratische Schulkultur.
Um Demokratie direkt erfahrbar zu machen, sollen Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in Schulen umfassend gestärkt und ausgebaut werden. Auch die SPD will die Demokratie durch Mitwirkungsrechte für Schüler*innen und Eltern an den Schulen stärken. Sowohl SPD als auch Bündnis90/Die Grünen verweisen auf das Programm „Schulen ohne Rassismus – Schulen mit Courage“, Bündnis90/Die Grünen wollen darüber hinaus auch Projekte wie „Bildung unterm Regenbogen“ stärker fördern. Die CDU möchte Demokratiebewusstsein und Extremismusprävention stärker und mit neuen Lehrformaten verankern. Straftaten an Schulen seien in erster Linie ein Fall für die Polizei und die Staatsanwaltschaft. Die FDP möchte vor allem Mobbing entgegenwirken. Ähnlich wie die SPD spricht sie sich für eine angemessene Ausstattung der Schulen mit Schulsozialarbeiter*innen aus. Schulen, so die FDP, müssen Orte der Vielfalt sein. Außerdem setzt sie sich dafür ein, dass alle Jugendlichen einmal innerhalb ihrer Schullaufbahn eine Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus besuchen.