Auf seinem T-Shirt prangt ein Stahlhelm auf einem eisernen Kreuz. Darunter der ungarische Schriftzug „Ruhm den Helden“. Ein Foto zeigt Sven Kilian mit diesem T-Shirt vom „Tag der Ehre“ in Budapest auf dem „Schild und Schwert“ Festival im sächsischen Ostritz im Jahr 2018. Hunderte Neonazis kamen dort zusammen, um einem Kampfsporttunier beizuwohnen und an Rechtsrockkonzerten teilzunehmen – zusätzlich ein wichtiges Treffen zur Vernetzung der Szene. Am 14. September 2025 will sich Sven Kilian nun als parteiloser Kandidat in Nauen zum Bürgermeister wählen lassen – laut eigener Aussage mit Unterstützung der AfD, zu deren Fraktion er in der Stadtverordnetenversammlung gehört.

Kilians Teilnahme an dem Neonazitreffen reiht sich ein in eine Vielzahl von rechtsextremen Veranstaltungen, die der gebürtige Nauener besucht hat – meist nicht in der ersten Reihe, sondern eher im Hintergrund und mit Sonnenbrille. So trägt er nicht nur das T-Shirt mit NS-Anleihen vom „Tag der Ehre“ , sondern soll dort 2019 und 2020 selbst zugegen gewesen sein. Bei dem internationalen Treffen kommen seit den 1990er Jahren Neonazis aus ganz Europa zusammen, um dem Ausbruchsversuch ungarischer und deutscher Soldaten sowie der Waffen-SS im Februar 1945 aus einem Kessel der Roten Armee um Budapest zu gedenken. Rund um das Event finden Rechtsrockkonzerte, Gedenkveranstaltungen an nationalsozialistische Verbrechen und ein 60 Kilometer langer Marsch statt. Dabei werden regelmäßig Wehrmachts- und SS-Uniformen von einigen Teilnehmenden getragen. Zudem werden offen Hakenkreuze und andere in Deutschland strafbare NS-Symbole zur Schau gestellt.

Als der NPD-Politiker Maik Schneider 2015 in Nauen eine flüchtlingsfeindliche Versammlung anmeldete, war Sven Kilian dabei. Ein Foto zeigt ihn gemeinsam mit vier weiteren Männern auf der Versammlung. Das Quintett auf dem Bild besteht aus einem wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung verurteilten Neonazi, einem rechtsextremen Liedermacher, einem völkischen Aktivisten, Sven Kilian und dem späteren Brandstifter Schneider, der im August 2015 eine örtliche Turnhalle in Brand setzte, in der Geflüchtete untergebracht werden sollten.

Im Juni 2017 beteiligte sich Kilian an einem Aufmarsch der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) in Berlin, bei dem ein Teil der Demonstrierenden versuchte, eine Polizeikette zu durchbrechen. In seiner Heimatstadt Nauen nahm er zwei Jahre in Folge an einer neonazistischen und geschichtsrevisionistischen Kundgebung der Freien Kräfte Neuruppin – Osthavelland anlässlich des Jahrestages der Bombardierung Nauens durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg teil.

Neben seiner Präsenz auf rechtsextremen Veranstaltungen ist Sven Kilian laut Impressum aus dem Jahr 2025 Betreiber der kleinen Firma „Jahn Spirit“. Diese präsentiert sich als „Kleidermarke für Traditionsbewußte [sic!]“ und bezieht sich im Namen auf Friedrich Ludwig Jahn, der zu Lebzeiten nicht nur das Turnen förderte, sondern auch völkisches und rassistisches Denken. Derzeit ist die Website nicht aufrufbar, da sich der Online-Shop laut Eigenaussage im Umbau befindet. Die Produkte der Firma werden mitunter auf deren Instagramseite mit einem Fotomodell beworben, das aus der Neonaziszene bekannt ist und mit einschlägigen Hashtags wie beispielsweise #whiteboxer oder #patriot versehen.

Ab 2020 war Kilian vermehrt auf Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie anzutreffen. In dieser Zeit fanden im Land Brandenburg Hunderte rechtsextreme und demokratiefeindliche Straßenaktionen statt. Auf diesen verteilte er das rechtsextreme Compact-Magazin, das antisemitische, rassistische und verschwörungsideologische Inhalte verbreitet.

Bei der Kampagne „Die blaue Welle rollt“, mit der Compact den AfD-Wahlkampf im Sommer 2024 unterstützte, war er bei mehreren Veranstaltungen zugegen. Nach dem Europa- und Kommunalwahlkampf konnte Kilian für die AfD in die Stadtverordnetenversammlung (SVV) von Nauen einziehen. Als er in der SVV zur Wahl als stellvertretender Vorsitzender antrat, erhielt er keine Mehrheit. Dennoch ist er als AfD-Stadtverordneter Vorsitzender des Ausschusses für Rechnungsprüfung, Finanzen und Personal. Zudem ist er Mitglied des Hauptausschusses und seit März 2025 im Aufsichtsrat in der stadteigenen Dienstleistungsgesellschaft „Nauen mbH“.

Nach der Kommunalwahl war Kilian im Landtagswahlkampf im September 2024 für die AfD Brandenburg aktiv. Nachdem das Compact-Verbot vorläufig ausgesetzt wurde, zeigte sich Kilian erneut mit Compact-Ständen Anfang des Jahres 2025 auf AfD-Bundestagswahlkampf-Veranstaltungen.

In der laufenden Vorbereitung auf die Bürgermeister*innenwahl fiel Kilian bisher mehr mit Slogans als mit konkreten kommunalpolitischen Inhalten auf. Einer seiner Wahlkampfsprüche lautet „Zukunft braucht Herkunft“. Seine eigene Herkunft aus Nauen und seine familiäre Verwurzlung in der Stadt füllen ein Viertel seines Wahlkampfvideos. Am Ende bleibt fraglich, warum der Wahlausschuss Sven Kilian trotz dieser langen Liste an rechtsextremen Aktivitäten und Indizien zur Wahl zugelassen hat.

Moritz Bauch

Sven Kilian schied am 14. September 2025 aus und erreichte mit 15, 9 % auf Platz 3 nicht die erforderliche Stimmenanzahl für eine Teilnahme an der Stichwahl.