Wahlcheck 2024
Am 22. September 2024 sind Landtagswahlen. In unserem Wahlcheck 2024 stellen wir Kandidat*innen vor, die mit der Verbreitung extrem rechter Ressentiments oder mit Kontakten zum organisierten Rechtsextremismus auf sich aufmerksam gemacht haben.
Gerhard Vierfuß: Unterstützer der Identitären
Der 1961 geborene Jurist Gerhard Vierfuß, der sich auf X (ehemals Twitter) selbst als „DerRechteAnwalt“ bezeichnet, tritt in Brandenburg als Kandidat bei den Kommunalwahlen für die Alternative für Deutschland (AfD) an. In den sozialen Medien äußerte er sich mehrfach rassistisch, antisemitisch und völkisch-nationalistisch und unterstützt offen die rechtsextreme Identitäre Bewegung.
Vierfuß war lange Zeit vor allem in Oldenburg politisch aktiv, wo er sich in der AfD und deren Umfeld bewegte. Er lud dort unter anderem zu einer Veranstaltung mit Karl-Heinz Weißmann ein, zentrale Figur der Neuen Rechten in Deutschland, Mitbegründer des völkischen Instituts für Staatspolitik (IfS) und Publizist für den gleichgesinnten Ares-Verlag. Das IfS war bis zu seiner Selbstauflösung im Mai 2024 dafür bekannt, AfD-Mitglieder mit Personen der extremen Rechten zu vernetzen. Im AfD-Kreisverband Oldenburg-Stadt/Ammerland war Vierfuß Vorsitzender und rückte 2019 in den Oldenburger Stadtrat nach. 2021 ließ er sich nicht erneut zur Wahl aufstellen. Dieses Jahr kandidiert Vierfuß für die AfD bei der Kommunalwahl in Potsdam im Wahlkreis (Babelsberg und Zentrum Ost) sowie auf Listenplatz 35 für die Landtagswahl. Zuvor schon trat der Jurist als Mitarbeiter der AfD im Brandenburger Landtag auf.
Vierfuß schrieb in der Vergangenheit für die rechtsnationale Wochenzeitung Junge Freiheit. In einem Artikel für die österreichische Onlineplattform Heimatkurier bediente er verschwörungsideologische Erzählmuster und charakterisierte die Beobachtung der rechtsextremen Jungen Alternative durch den Verfassungsschutz als Zersetzung des Staates und als „liberales Vernichtungsprogramm“. In seinem Verständnis von Ethnie und „Volk“ werden Einflüsse des Denkens der Neuen Rechten und des dazugehörigen Konzepts des rassistischen „Ethnopluralismus“ deutlich. Ideologisch und politisch steht Vierfuß der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) nahe, die auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht. Er vertrat die IB im Rechtsstreit, nicht mehr als rechtsextrem eingestuft und vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden – letztendlich erfolglos. Während der Verhandlung äußerte sich der Anwalt rassistisch: Migration verletze die Menschenwürde von „ethnischen Deutschen“. Als Anwalt vertrat er außerdem Rechtsextreme wie Martin Sellner, den Mitbegründer der IB Österreich, oder Lars Steinke, der aufgrund einer Schmähkritik an Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg aus der AfD ausgeschlossen wurde. Keinen Abstand nimmt er zudem von den Holocaustleugnerinnen Ursula Havebeck, für die er eine Online-Petition unterschrieb, und Imke Barnstedt, mit der er gemeinsam am „Volkstrauertag“ an einer Gedenkveranstaltung teilnahm.
Vierfuß‘ Online-Auftritt auf X weist direkt auf seine rechte Gesinnung hin. Bereits auf den ersten Blick wird seine zutiefst völkisch-nationalistische Einstellung deutlich. So beschreibt sich der Anwalt als „Identitär- rechts- für Remigration“ und greift damit den rechtsextremen Kampfbegriff für Deportationen auf. Im Januar 2024 deckte das Recherchekollektiv Correctiv ein Geheimtreffen im Potsdamer Hotel Adlon auf, bei welchem unter anderem Martin Sellner seinen Plan zur Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland vorstellte. Vierfuß, offensichtlich ein großer Unterstützer des rechtsextremen Aktivisten und Autors, repostete im Januar, vier Tage nach Veröffentlichung der Recherche, ein Video Sellners und schrieb dazu: „Meine #Solidarität gilt, bei allen gelegentlichen Differenzen in Details, unverbrüchlich diesem wunderbaren Menschen, Europäer und Patrioten.“ Sellner selbst hat auf Wirken der Stadt Potsdam ein bundesweites Einreiseverbot, das derzeit Gegenstand eines Rechtsstreits ist. Unter den Hashtags „#RemigrationJetzt“ oder „#Reconquista“ und unter Schlagwörtern wie „#StopptDenGroßenAustausch“ sowie „#KriegegenDeutschland“ verbreitet Vierfuß die verschwörungsideologische Auffassung, dass Migration von der Politik gelenkt sei, um „das eigene Volk und die eigene Kultur auszulöschen“. Ebenso lassen sich diverse rassistische Instrumentalisierungen sexualisierter Gewalt auf Vierfuß Account finden. Er teilt entsprechende Beiträge, um seiner Argumentation Nachdruck zu verleihen, dass Migration gestoppt werden müsse.
Auch Verschwörungserzählungen zum Krieg gegen die Ukraine werden von Vierfuß propagiert. Demnach würden die USA das Geschehen kontrollieren und Chaos in der Welt stiften; „wenn sie gewollt hätten, dann hätten sie den Krieg sehr schnell für sich entscheiden können“. Zur Corona-Pandemie und ihrer politischen Aufarbeitung teilt Vierfuß Beiträge, in denen Fake News und Verschwörungserzählungen verbreitet werden Zudem wird durch die Verwendung von Begriffen wie „tiefer Staat“ deutlich, dass er sich antisemitischer Erklärmuster der globalen Weltordnung bedient.
Die positive Bezugnahme auf das Buch „Politik von Rechts“ von Maximilian Krah und das an Vierfuß X-Profil angeheftete Video der Sachsengarde, welche aus der IB Sachsen hervorgegangen ist, zeugen von seiner Unterstützung der Neuen Rechten. Mit vermeintlich intellektuellen Erklärungen versucht Vierfuß, rechtsextreme Weltbilder zu verbreiten, und kann als AfD-Kandidat dem extrem rechten Teil der Partei zugerechnet werden.
Gerhard Vierfuß wurde am 22. September 2024 weder in den Brandenburger Landtag noch am 9. Juni 2024 in die Stadtverordnetenversammlung Potsdam gewählt.