Wahlcheck 2024
Am 22. September 2024 sind Landtagswahlen. In unserem Wahlcheck 2024 stellen wir Kandidat*innen vor, die mit der Verbreitung extrem rechter Ressentiments oder mit Kontakten zum organisierten Rechtsextremismus auf sich aufmerksam gemacht haben.
Lena Kotré: Härte des Rechts, außer gegen rechts
Mit der extremen Forderung, Flüchtlinge pauschal von öffentlichen Veranstaltungen auszuschließen, macht die AfD-Abgeordnete Lena Kotré gegenwärtig auf sich aufmerksam. Von diesen, behauptet die innenpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion im Landtag entgegen den Statistiken, sei ein großer Teil kriminell, und die weitreichende Beschneidung von Grundrechten sei ein „Kollateralschaden“, um Einheimische zu schützen. Doch auch Einheimische hat sie im Blick. Bei einer Wahlkampfveranstaltung Anfang September in Wandlitz fragte ein Gast Kotré, ob die AfD seine in Deutschland geborene Frau mit türkischen Wurzeln möglicherweise ausweisen würde. Darauf antwortete die Abgeordnete laut Märkischer Oderzeitung: „Das kann ich Ihnen nicht zu hundert Prozent beantworten. Ich kenne Ihre Frau ja gar nicht.“
Lena Kotré hat sich der Herzensthemen der AfD angenommen: Flucht und Migration, die vermeintliche Unterdrückung der AfD, die Normalisierung des Rechtsextremismus. Damit ist die Rechtsanwältin stetig in der Partei aufgestiegen. Im September will sie zum zweiten Mal für die AfD in den Landtag einziehen. Auf der Landesliste der Partei ist Kotré auf Platz 10 vertreten, im Wahlkreis Barnim III versucht sie, das Direktmandat zu erringen.
Das Handwerk des öffentlichen Auftritts erlernte die 1987 geborene Lena Kotré (geb. Duggen) in der rechten Kleinstpartei Die Freiheit, die in Bayern vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Von 2011 bis 2014 war sie Mitglied und nach eigenen Angaben im Vorstand der Partei aktiv. 2015 trat sie in die AfD ein. Ihre Ausbildung zur Juristin beendete Kotré 2016 mit dem zweiten Staatsexamen. Noch im gleichen Jahr begann sie, für die AfD im Potsdamer Landtag zu arbeiten.
In ihrer Bewerbungsrede vor der Partei zur Landtagskandidatur 2019 spielte Lena Kotré geschickt die Klaviatur rassistischer Ressentiments. Sie klagte, dass sie ihre Unbeschwertheit verloren hatte. „Dass ich nicht mehr zu einer bestimmten Tageszeit allein auf die Straße gehen konnte, geschweige denn mich in öffentliche Verkehrsmittel wagen konnte. Dass ich Angst um Leib und Leben haben muss in meiner Heimat.“ Verantwortlich sei die Einwanderung nach Deutschland und „die fortschreitende Deutschenfeindlichkeit, die so viele Opfer bislang gefordert hat“.
Stetig beschwört Kotré die vermeintliche Gefahr durch Migration und fordert harte Maßnahmen – Grenzkontrollen, Einwanderungsstopp, vermehrte Abschiebungen. Gerne stellt sie ihre vermeintliche Expertise als Juristin heraus. Eine Broschüre zur Kriminalität von Menschen ausländischer Herkunft in Brandenburg, die Kotré als innenpolitische Sprecherin mitverantwortete, arbeitet jedoch mit manipulativen Darstellungen und Auslassungen. Im Einklang mit Rechtsextremen in ihrer Partei sieht Kotré „Remigration“ als Lösung vielerlei Übels. Etwa des Antisemitismus. „Wozu bedarf es eigentlich eines Antisemitismusbeauftragten, wenn ein Remigrationsbeauftragter stattdessen die tatsächliche Lösung des importierten Antisemitismusproblems wäre?“, fragte die Abgeordnete im Juni 2024 im Brandenburger Landtag.
Weniger Probleme hat Kotré offensichtlich mit dem rechtsextremen Magazin Compact, das immer wieder durch antisemitische Beiträge auffällt. Die Zeitschrift stellte die Politikerin 2019 in einem Porträt unter der Überschrift „Schöne des Monats“ vor. Darin bezeichnete Kotré die französische Kämpferin Jeanne d’Arc als ihr Vorbild und forderte zugleich, „die deutschen Männer müssen endlich wieder lernen, uns Frauen zu verteidigen!“. Im gegenwärtigen Verbotsverfahren gegen Compact stellte sie sich lautstark an die Seite der Zeitschrift, die Teil eines rechtsextremen Bewegungsunternehmens ist.
Im Landtag tat Lena Kotré kund: „Der Linksextremismus ist und bleibt die größte Bedrohung für unsere Demokratie.“ Ihre „Arbeitsgruppe Linksextremismus“ der AfD-Fraktion im Landtag ergänzte: „Ganz besonders in Brandenburg“. In einer Broschüre stellt sie Wohn-, Kultur- und Sozialprojekte als Orte der Gewalt dar. Rechtsextreme diffamieren zivilgesellschaftliches Engagement immer wieder als linksextrem, um demokratischem Engagement die Gelder zu entziehen und Engagierte in ihrer Arbeit zu blockieren. Selbst die Landesregierung wurde bereits des Linksextremismus bezichtigt. Insbesondere Programme, die sich für demokratische Werte, gesellschaftliche Vielfalt und gegen Rechtsextremismus engagieren, sind Kotré ein Dorn im Auge. Sie seien schlichtweg unnötig: „Brandenburg ist mitnichten ein Land, in dem Rechtsextremismus ein Problem darstellt“, zitierte die Lausitzer Rundschau Anfang des Jahres Kotré. Auch die AfD sei nicht rechtsextrem, und über die Schwerpunktregion des Rechtsextremismus im Land heißt es lapidar: „Ich sehe im Süden Brandenburgs keine ‚rechten Aktivitäten‘ oder gar rechtsextreme Umtriebe“.
Die vermeintliche Law-and-Order-Politikern drückt nicht nur beim Thema Rechtsextremismus beide Augen zu. Die Härte des Rechts scheint auch nicht für rechte Demonstrierende gelten zu sollen, denen Kotré in der Corona-Pandemie Tipps gab, wie Versammlungsverbote zu umgehen seien. Und nicht für Parteimitglieder, die öffentliche Gelder abstauben wollen. Von 2016 bis 2021 war Kotré Generalsekretärin der AfD-nahen Erasmus-Stiftung Brandenburg e.V., die sich 2019 Vorwürfen der Geldverschwendung und Inkompetenz ausgesetzt sah. Nachdem das Innenministerium einen Förderbescheid abgelehnt hatte, zitierte die Märkische Allgemeine Zeitung aus internen Dokumenten Beispiele von zweifelhaftem Finanzgebaren durch die Stiftungsleitung.
Am 22. September 2024 wurde Lena Kotré als Direktkandidatin für den Wahlkreis Barnim III in den Brandenburger Landtag gewählt.