Wahlcheck 2024
Am 22. September 2024 sind Landtagswahlen. In unserem Wahlcheck 2024 stellen wir Kandidat*innen vor, die mit der Verbreitung extrem rechter Ressentiments oder mit Kontakten zum organisierten Rechtsextremismus auf sich aufmerksam gemacht haben.
Matthias Fischer: Neonazi mit Leib und Seele
Neonazi zu sein, ist für Matthias Fischer keine Freizeitbeschäftigung, sondern sollte jede Facette des Lebens durchdringen. Gerne spricht der 46-Jährige mit dem Aryan-Hope-Tattoo über dem linken Ohr von einer „ganzheitlichen Weltanschauung“. „Als Nationalrevolutionär bist du bereit, dauerhaft Opfer zu erbringen, fast täglich, um unsere Bewegung voranzutreiben, denn es geht um unsere Heimat, wir haben nur die eine!“ Dies sei ein wesentlicher Unterschied zu jenen, die „Deutschland ausschließlich am Stammtisch retten“ wollen. Er möchte daher nicht, dass in seiner Partei Der III. Weg jeder dahergelaufene Neonazi eintreten kann. Fischer will „aussieben“, nur die, die als geeignet erscheinen, sollen dabei sein dürfen. Denn: „Gerade das nationale Lager ist immer so ein Magnet für Scheiße.“
Nachdem der Neonazi aus der Uckermark in diesem Juni wenig erfolgreich zur Kommunalwahl antrat, will er nun im September für Der III. Weg in den Brandenburger Landtag einziehen. In der Programmatik der Partei sind Begriffe wie „nationalrevolutionär“ oder „deutscher Sozialismus“ fester Bestandteil – und damit auch in der Ideologie Fischers. Offensichtlich sind sie Chiffren für den Nationalsozialismus. „Heimat“ ist hier zu verstehen als „Abstammungsgemeinschaft“. Alles, was in diesem völkischen Verständnis nicht als deutsch gilt, hat kein Recht auf diese „Heimat“. Entsprechend brauche es eine „nationalrevolutionäre Umwälzung der bestehenden Verhältnisse, um den Fortbestand aller angestammten Völker auf unserem Kontinent zu sichern“.
Der Mann aus dem Norden Brandenburgs mit dem strengen Auftreten hat diese Rhetorik schon lange verinnerlicht. Geboren in der Uckermark und aufgewachsen in Chemnitz, zog er als Kind 1989 nach Nürnberg – und blieb bis 2014 in der Region. In Franken fand er laut eigenen Angaben im Alter von 14 Jahren den Weg in die Neonaziszene und stieg dort früh auf. Er war Schlagzeuger in der Blood-and-Honour-Band Hate Society, nahm Führungspositionen in der rechtsextremen NPD, deren Jugendorganisation JN und in verschiedenen Kameradschaften ein. Im Telefonbuch des NSU-Terroristen Uwe Mundlos war er als Kontakt für Nürnberg angegeben. Die von Fischer maßgeblich beeinflusste Fränkische Aktionsfront (FAF) wurde 2004 wegen „Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus“ verboten.
Fischer selbst musste sich diverse Male vor Gericht verantworten, unter anderem wegen Volksverhetzung – mehr als einmal resultierte daraus eine Haftstrafe. Nach dem Verbot der FAF versuchte er zunächst, die NPD „von innen“ zu verändern, gab aber dieses Unterfangen 2008 auf und wandte sich wieder dem sogenannten Freien Widerstand zu. Mit dem Freien Netz Süd (FNS) entstand 2009 eine bayernweite und sehr einflussreiche neonazistische Struktur. Fischer gehörte zu den führenden Köpfen. Auch hier erfolgte 2014 ein Verbot. Für Fischer markierte dies das Ende seines Lebensabschnitts in Franken: Er zog zurück in die Uckermark und fing von hier aus an, die Strukturen von Der III. Weg aufzubauen.
Zu Anfang hielt sich Fischer in der Gesamtpartei noch ein wenig zurück – möglicherweise als Vorsichtsmaßnahme aufgrund des vorangegangenen FNS-Verbots. Im November 2021 stieg er dann aber vom Stellvertreter zum Parteichef auf und tritt seitdem stärker in die Öffentlichkeit. Ebenfalls Ende 2021 mobilisierte Fischer die Partei zur Aktion „Grenzgänger“: Neonazis gingen an der Grenze zu Polen auf Patrouille, um zu verhindern, dass Geflüchtete in die Bundesrepublik einreisen. Im Magazin N.S. Heute sprach er von Tausenden Illegalen, die „jeden Tag über die Grenze einfallen“. Als Nationalist, so Fischer, sei „es einfach ein Pflichtgefühl, seine Zeit nun in diesen Regionen zu verbringen, um irgendwie Abhilfe zu schaffen“.
In Brandenburg ist Fischers Partei Der III. Weg inzwischen eine der aktivsten Gruppierungen der neonazistischen Rechten. Immer wieder fällt die Partei mit Kundgebungen, Demonstrationen und Propaganda-Aktionen auf. Dass sie sich reale Chancen bei den Wahlen ausrechnet, ist eher zweifelhaft. Gleichwohl bietet der Wahlkampf erweiterte Möglichkeiten, die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum zu erhöhen. Im Vordergrund stehen für die Neonazis jedoch immer noch Aktionismus, die Schaffung einer elitären Gruppierung und die Dominanz im Rechtsaußen-Lager.
Matthias Fischer wurde am 22. September 2024 nicht in den Brandenburger Landtag gewählt.