Wahlcheck 2024
Am 22. September 2024 sind Landtagswahlen. In unserem Wahlcheck 2024 stellen wir Kandidat*innen vor, die mit der Verbreitung extrem rechter Ressentiments oder mit Kontakten zum organisierten Rechtsextremismus auf sich aufmerksam gemacht haben.
Hans-Christoph Berndt: Rechtsextremer Fanatiker in Führungsposition
Charisma und rednerische Fähigkeiten dürften nicht der Grund sein, dass Hans-Christoph Berndt in der AfD eine fulminante Karriere hinlegen konnte. Erst 2018 trat er in die Partei ein, wurde im Folgejahr Landtagsabgeordneter, 2020 Vorsitzender seiner Fraktion, 2024 Vize des Landesverbandes. Berndt ist ein eigentlich unscheinbarer älterer Herr, der selbst dann mit eher leise-sonorer Stimme spricht, wenn er während bei einer Demonstration kämpferische Parolen dreschen möchte. Nun tritt Berndt bei der Brandenburger Landtagswahl als Spitzenkandidat seiner AfD an. Von 87 Prozent der Parteitagsdelegierten wurde er dafür unangefochten auf Platz 1 der Landesliste gewählt. Das ist ein gutes Ergebnis in dieser oft von Grabenkämpfen gezeichneten Partei. Sowieso hat Berndt gute Chancen, sein Direktmandat im Wahlkreis 28 (Dahme-Spreewald III) zu verteidigen.
Inhaltlich steht Berndt für den radikalen Kurs, den die AfD in Brandenburg seit vielen Jahren eingeschlagen hat: Rechtsextreme Ideologie, Systemfeindschaft, Bewegungspartei.
Berndt lebte ein unauffälliges Leben und war als Laborarzt an der Berliner Charité beschäftigt, bis er 2015 an seinem Wohnort in Golßen den Verein Zukunft Heimat ins Leben rief. Bis 2021 stand er dieser rechtsextremen Truppe vor, die sich selbstverharmlosend als „Heimatverein“ bezeichnet. Zukunft Heimat organisierte Demonstrationen gegen die Unterbringung von Geflüchteten, erst in Dahme-Spreewald, dann in Cottbus. Immer wurden dabei rassistische Töne angeschlagen, Neonazis liefen bei den Umzügen scharenweise mit. Der ehemalige Kopf der Spreelichter, einem 2012 verbotenen Netz von Neonazi-Militanten, nahm konspirativ Einfluss auf Berndt und seinen Zukunft-Heimat-Verein. Nicht nur der Verfassungsschutz benennt darum inzwischen deutlich, dass Zukunft Heimat „neonationalsozialistisch beeinflusst“ ist. Weiterhin schwärmt Berndt über seinen Freund: „Ich würde mir wünschen, dass es mehr so anständige Menschen gibt“. Nach Ansicht von Berndt seien die Spreelichter, deren zentrale Parole „Die Demokraten bringen uns den Volkstod“ lautete, völlig zu Unrecht als Neonazis „geframed“ worden. Ebenfalls immer im Schlepptau waren bei den Auftritten von Zukunft Heimat AfD-Leute. Partei, Neonazis und Straßenprotest – diese Rezeptur wurde in Brandenburg von Zukunft Heimat zuerst angerührt und dann zum Leitbild der Brandenburger AfD-Politik erhoben. Auch Berndt hat sich für solch eine „übergreifende Volksbewegung“ ausgesprochen. Dass er schließlich seinen Laborkittel in der Charité an den Nagel hängte und für die Partei zum Vollzeit-Rechtsextremen wurde, ist nur folgerichtig.
Schlüsselstellen von vielen Reden Berndts muten wie eine Beschreibung apokalyptischen Horrors an, die er jedoch unpassenderweise im Murmelton vorträgt. Wer zuhört, merkt: Hier spricht niemand, der pragmatisch Probleme anpacken will, sondern es spricht ein völkischer Fanatiker, der sich von vermeintlichen Volksfeinden umgeben und bedroht sieht. Berndt beklagt etwa, die Herrschenden würden aus Bosheit „alle unsere natürlichen Bindungen“ wie „Volk, Familie und Geschlecht“ attackieren. Die Regierung und ein „Kartell von Deutschland-Abschaffern“ sei dabei, einen „Bevölkerungsaustausch“ vorzunehmen, und würde dafür „irrwitzig, aber planmäßig die Zerstörung unseres Landes“ betreiben. Berndt spricht sogar von einer „Verwesung“ des ganzen Landes.
Überall in Berndts Vorstellungswelt lauert der Kommunismus; so oft, wie er darauf zurückkommt, wirkt es wie eine Obsession. Linkspartei und Grüne hält er für „Nachfolger der Kommunisten“, die SPD und die CDU jedoch sogar für richtige „leninistische Parteien“. Auch der frühere CDU-Oberbürgermeister von Cottbus redete nach Meinung von Berndt „wie ein Leninist“. Die Idee der Europäischen Union sei nicht nur eine „Multi-Kulti-Ideologie“ von „EU-Eliten“, sondern sie passe auch perfekt zur „Programmatik Lenins“. In Deutschland herrsche eine Atmosphäre, die Berndt an die „chinesische Kulturrevolution“ erinnert.
Wer so viel Unheil und Feinde sieht, der kommt auf drastische Lösungen: Berndt findet es nötig, eine „Remigration“ durchzuführen – und nimmt damit positiv Bezug auf diese rechtsextreme Vertreibungsfantasie, wie sie seit den Correctiv-Recherchen ins kritische Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wurde. Im Mai 2024 verschärfte Berndt bei einem rechtsextremen Szenetreffen noch einmal seinen Ton. Weil Deutschland wie andere „weiße Länder“ von „Auflösung“ bedroht sei, müsste dabei nicht nur zu Mitteln gegriffen werden, die „weit über die Möglichkeiten einer Partei“ hinausgingen, sondern auch „weit über das hinaus, was wir unseren Mitbürgern zumuten können“. Berndt weiter: „Wir müssen die Stärke einer Partei nutzen, wenn wir uns gegen den Parteienstaat wenden wollen.“
Es fällt schwer, solche Worte anders zu verstehen als eine Absage an die Demokratie, vielleicht sogar als Ankündigung von Staatsverbrechen.
Am 22. September 2024 wurde Hans-Christoph Berndt als Direktkandidat für den Wahlkreis Dahme-Spreewald III in den Brandenburger Landtag gewählt.