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„Das ist eine Stimmungsmache, die man nicht akzeptieren kann“

Weil das Multikulturelle Centrum in Templin nicht zur Bühne für die AfD werden wollte, versuchte die Partei ihm die Gelder zu streichen.

„Wir haben ein paar Mal diskutiert, ob wir das Multikulturelle Centrum umbenennen“. Kathrin-Bohm-Berg schaut die großen Lettern an, während sie vor dem Kino und Veranstaltungszentrum in Templin steht. „Wir sind ja kein Treff für ethnische Minderheiten“, erklärt die Geschäftsführerin der Kultureinrichtung weiter. Der Name ist vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß, aber er stammt noch aus der Wendezeit. Für die ostdeutschen Gründerinnen und Gründer drückte er eine positive, eine weltoffene Haltung aus. „Und gerade angesichts der Diskussionen der letzten Zeit haben wir uns entschieden, jetzt erst recht zu dem Namen und seiner Geschichte zu stehen.“

Diskutieren musste man in Templin über die AfD. Die Partei hatte das Multikulturelle Centrum im vergangenen Herbst mehrfach angegriffen, im Internet sowie im Landtag, wo sie die Finanzierung und die Veranstaltungen der Einrichtung erfragte. Schließlich reichte die AfD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung im November gleich drei Anträge gegen das Multikulturelle Centrum ein. Es drohte eine massive Kürzung der Fördermittel. „Das war für uns alle eine sehr unsichere Situation“, erinnert sich Kathrin Bohm-Berg. „Der Antrag der AfD, die Förderung zu halbieren, hätte das Aus bedeutet. Das ist schon eine massive Infragestellung.“

Damit hätten nicht nur neun Angestellte ihren Job verloren. Gelitten hätte die ganze Uckermark. Denn das Multikulturelle Centrum ist nicht nur ein Kino in Templin. Wer genauer hinschaut, merkt: In der Region ist es eine Institution.

Das Kino zeigt Filme im ganzen Landkreis, auch in den kleineren Ortschaften und Dörfern

Bereits seit über 100 Jahren werden in dem historischen Gebäude am Rand der Altstadt Filme gezeigt. Auch an dem Donnerstagnachmittag, während Kathrin Bohm-Berg von ihrer Arbeit erzählt, ist das Kino vom Geruch von Popcorn erfüllt und herrscht emsiges Treiben an der Kasse. Mehrere Dutzend Menschen warten dort, um sich einen Film mit dem unerschütterlichen Otto Waalkes anzuschauen. Knapp 18.000 Zuschauerinnen und Zuschauer zählte das Kino im Jahr 2019, vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Hinzu kamen 14.000 Gäste bei Konzerten, Ausstellungen oder Lesungen. Spürbar stolz ist Kathrin Bohm-Berg auf das mobile Kino, welches das Multikulturelle Centrum seit einigen Jahren anbietet. Mit Hilfe von Freiwilligen werden Filme im ganzen Landkreis Uckermark gezeigt, selbst in kleineren Ortschaften und Dörfern. Mehr als 3.000 Menschen nutzten diese Möglichkeit zu einem Kinoerlebnis ohne den weiten Fahrtweg, wie er in der Uckermark und im ländlichen Brandenburg sonst üblich ist.

Der Zuspruch für das Multikulturelle Centrum zeigt sich nicht nur in den Schlangen an der Kinokasse, sondern auch in der Größe seines Förderverein. Nachdem eine Handvoll Engagierter das Kino zur Wendezeit vor der Schließung rettete, betrieb die Stadt es einige Jahre als kommunalen Zweckverband. Im Jahr 1999 wurde die Einrichtung in die Trägerschaft des Vereins überführt, der damit Betreiber des Kinos ist. Der Förderverein zählt inzwischen mehr als 100 Mitglieder, darunter viele Engagierte aus Politik, Wirtschaft und Kultur in der Region. Den Vorsitz hat Wolfgang Janitschke inne. Bereits seit fast 20 Jahren ist er im Vorstand. Er erzählt, dass sich viele der Mitglieder auch anderswo engagieren, in Vereinen, Verbänden, Parteien. Janitschke selbst ist in der örtlichen CDU aktiv, andere Mitglieder machen bei der SPD, den Grünen oder in den Gewerkschaften mit. Und auch Verwaltung und Politik sind qua Satzung im Vorstand vertreten. Diese enge Zusammenarbeit mit der Stadt ist gewollt, schließlich überlässt sie dem Verein das Haus zur Nutzung und der Betrieb wird von Kommune, Kreis und Land gefördert.

Trotz dieser Nähe zur Stadt, erläutert Wolfgang Janitschke, ist der Verein privatrechtlich organisiert. Damit ist er in seinen Entscheidungen eigenständig und unabhängig. Diese Freiheit nutzte der Vorstand, als im Spätsommer 2020 eine Anfrage der AfD einging. Ein „Bürgerforum“ der Partei sollte im Multikulturellen Centrum stattfinden, es sollte um den Umgang mit der Corona-Pandemie gehen. Es war die Zeit, als Corona das bestimmende Thema im Land war. Die AfD, die in Brandenburg als rechtsextremer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet wird, machte die Agitation gegen die Schutzmaßnahmen zu einem Schwerpunkt ihrer Politik. Im August versuchten Rechtsextreme in Berlin, das Reichstagsgebäude zu stürmen. Und einige Monate später kamen mit Hilfe von Abgeordneten der AfD Corona-Leugnerinnen und -Leugner in den Bundestag und bedrängten andere Abgeordnete und Mitglieder der Regierung.

„Wir fragten uns, wie wir mit der Anfrage der AfD umgehen“, erinnert sich Wolfgang Janitschke. „Es gab dann eine kurzfristige Videokonferenz des Vorstands, wir haben das Thema einmal durchdiskutiert und uns mit der klaren Aussage positioniert: Nein, wir stellen der AfD für solch eine Veranstaltung keine Räumlichkeiten zur Verfügung. Das war ein einstimmiges Votum aller Beteiligten.“ Ein paar Tage später folgte eine ähnliche Anfrage der Bundestagsfraktion der AfD, die der Verein ebenfalls ablehnte.

Den Brief, den Wolfgang Janitschke damals der Landtagsfraktion der AfD schrieb, legte die Partei ihren Anträgen bei, die sie im November in der Stadtverordnetenversammlung von Templin einreichte. In gleich drei Initiativen richtete sich die dortige AfD-Fraktion gegen das Multikulturelle Centrum: Sie forderte die Entsendung von Vertreterinnen und Vertretern aller städtischen Fraktionen in den Vorstand des Trägervereins; sie wollte ein steuerrechtliches Verfahren zur Überprüfung der Gemeinnützigkeit angestrengt wissen; und sie versuchte eine radikale Reduzierung der Förderung durchzusetzen.

Die Partei führte zwar auch an, dass die Kommune in Zeiten klammer Kassen wegen der Corona-Krise Geld sparen müsse. Zugleich machte sie jedoch sehr deutlich, dass es ihr um die Gängelung jener geht, die sich gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus positionieren. Dies offenbarte auch ein vierter Antrag, der sich gegen ein gänzlich anderes Projekt richtete. Dem Templiner Jugendklub Jugendkella sollten öffentliche Mittel gestrichen werden, weil dort keine „politische Neutralität“ erkennbar sei. In der Einrichtung in kirchlicher Trägerschaft, nur wenige Minuten vom Multikulturellen Centrum entfernt, diskutieren Jugendliche die Klimabewegung „Fridays for Future“ und engagieren sich in der Kampagne „Schöner leben ohne Nazis“.

„Als privater Verein entscheiden wir selber, wer in das Haus reinkommt und wer nicht.“

Die Forderung nach Neutralität ist häufig zu hören, wenn es darum geht, Kritik an Rechtsextremismus und Rassismus zu unterbinden. „Natürlich, die Verwaltung muss sich neutral verhalten gegenüber allen gewählten Parteien, so auch gegenüber der AfD“, führt Wolfgang Janitschke dazu aus. „Wir aber sind ein privatrechtlicher Verein. Und als privaten Verein kann uns niemand in die Pflicht nehmen, dass wir nicht selber entscheiden dürfen, wer in das Haus reinkommt und wer nicht.“

Zudem meint parteipolitische Neutralität längst nicht, sich jeder politischen Äußerung zu enthalten. Vielmehr fordert die Verfassung sogar dazu auf, für Werte wie die Menschenrechte und gegen Rechtsextremismus einzutreten. Dieses Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ haben auch diverse Gutachten, die ausgerechnet die AfD im Brandenburger Landtag angestrengt hatte, immer wieder bestätigt.

Kulturschaffende weisen seit mehreren Jahren darauf hin, dass ihre Arbeit aus dem rechtsextremen Milieu zunehmend angegriffen wird. Wer das Weltbild der AfD nicht teile, gerate in den Fokus parlamentarischer Anfragen, heißt es in einer Chronik rechter Angriffe auf die Kultur. Sie wurde erstellt mit Kulturschaffenden aus dem gesamten Bundesgebiet, die sich in dem Netzwerk Die Vielen organisiert haben. Es tritt für die Freiheit von Kunst und Kultur eint, unterstützt Betroffene und und regt die Debatte vor Ort an. Viele Einrichtungen und Aktive aus dem Land haben die „Brandenburger Erklärung“ unterzeichnet, in der sie sich zur gegenseitigen Solidarität bei Hetze und Schmähungen bekennen.

Das Multikulturelle Centrum hatte bis dahin kaum Angriffe von Rechtsextremen erlebt. Vor zwei Jahren, 2019, als Angela Merkel dort zur Ehrenbürgerin ihrer alten Heimatstadt Templin ernannt wurde, beschmierten Unbekannte das Gebäude mit rassistischen Parolen. Einige Dutzend Menschen demonstrierten gegen die Bundeskanzlerin. Aber sonst? Vermutlich kommen auch AfD-Wählerinnen und Wähler ins Haus, meinen Kathrin Bohm-Berg und Wolfgang Janitschke. Zu einem der vielen Filme, zu Unterhaltungsveranstaltungen oder Ü30-Partys. „Wir machen eben für alle etwas“, so die Geschäftsführerin.

Der Bundespräsident war da, um über Kulturarbeit im ländlichen Raum zu lernen

Dieser Anspruch, für alle da zu sein, trägt das Multikulturelle Centrum vorwärts. Während anderswo Kinos unter dem Erfolg von Streamingdiensten leiden und schließen, hat man in Templin die Besucherzahl halten und zuletzt sogar steigern können. Das Multikulturelle Centrum hat sich zum Programmkino umorientiert und dadurch eine Marktlücke in der Region besetzt, erzählt Kathrin Bohm-Berg, es hat neue Programme und neue Formate eingeführt.

Es gibt eine offene Bühne, es gibt Tanzveranstaltungen, und zu dem „Wasserspiele“ genannten Festival am See nahe des Hauses kommt die halbe Stadt. Besonders freut Kathrin Bohm-Berg, dass das Multikulturelle Centrum zum Fixpunkt für kulturell Interessierte in der Uckermark geworden ist. Als Frank-Walter Steinmeier 2018 die Region besuchte und ehrenamtlich Engagierte zum Empfang in das Multikulturelle Centrum lud, organisierte sie eine Gesprächsrunde des Bundespräsidenten mit Kulturschaffenden über ihre Arbeit im ländlichen Raum. „Der Fokus sollte auf dem Landleben liegen, darauf, was es an Problemen gibt, aber was es eben auch an positiven Ansätzen und guten Projekten gibt“, erinnert sich Bohm-Berg. „Das war eine tolle Veranstaltung mit ganz vielen Vereinen aus der Region, für die es eine Auszeichnung war, eingeladen zu sein.“

Als am 25. November 2020 die AfD in der Stadtverordnetenversammlung ihre Anträge gegen das Multikulturelle Centrum einbrachte, äußerte sich zwar nicht der Bundespräsident. Das Haus erhielt jedoch Rückendeckung von allen anderen Fraktionen. Christian Hartphiel, Fraktionsvorsitzender von SPD-Grüne, wies auf den „verletzten Stolz“ der AfD hin. Und Andreas Büttner, Fraktionsvorsitzender der Linken, darauf, dass die Partei gegen Einrichtungen vorgehe, „die den Herren von der AfD offenbar nicht ins politische Weltbild passen und die nicht nach ihrer Pfeife tanzen“. Die Anträge wurden mehrheitlich abgelehnt. Im Vorfeld hatte das Multikulturelle Centrum den anderen Fraktionen eine Stellungnahme zum Thema zukommen lassen und die Angriffe entkräftet.

„Es war sehr eindrucksvoll, was um die Stadtverordnetenversammlung herum passiert ist“, erinnert sich Kathrin Bohm-Berg. „Die Veranstaltung fand ironischerweise sogar noch hier im Haus statt.“ Seit Ausbruch der Corona-Pandemie nutzt die Stadt den Kinosaal, um Abstandsregeln einzuhalten und überhaupt noch Gäste zum Lokalparlament zulassen zu können. Weil an dem Sitzungstag viele wichtige Themen besprochen wurden, waren die vorgesehenen Plätze für interessierte Bürgerinnen und Bürger frühzeitig besetzt. Zwei Nachzügler der AfD kamen nicht mehr hinein. Im Internet behaupteten sie sogleich, dass sie „unzulässigerweise“ ausgesperrt worden seien. „Das wurde sofort verdreht und gegen uns und gegen die Stadtverordnetenversammlung gewendet. Das ist eine Stimmungsmache, die man nicht akzeptieren kann“, sagt die Geschäftsführerin des Multikulturellen Centrums. Wolfgang Janitschke ergänzt trocken: „Wären sie rechtzeitig um halb fünf hier gewesen, wären sie auch reingekommen.“

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Kathrin Bohm-Berg fragt sich oft, woher der neue Zuspruch für die rechtsextreme Parolen kommt, woher die starke Polarisierung in den Debatten – und wie man dem begegnen kann. „Es ist etwas los in der Gesellschaft und man muss sich fragen, warum das so ist, was da passiert, warum die Leute kein Vertrauen mehr in die etablierten Strukturen haben. Es wäre gerade jetzt wichtig, weiter miteinander zu reden.“ Damit die Differenzierung der Geschmäcker, Meinungen, Lebensweisen nicht zu einer Fragmentierung der Gesellschaft führe, müssten die Menschen zusammengebracht werden. „Das Multikulturelle Centrum ist ein Ort, an dem die Leute noch ins Gespräch kommen. Das ist eine zunehmende Herausforderung, aber auch umso wichtiger, um gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erreichen.“

Im Multikulturellen Centrum wird man sich dieser Herausforderung annehmen, und das Ende der Corona-Pandemie, das spürt man hier, kann nicht schnell genug kommen. Kathrin Bohm-Berg hat viele Ideen, was folgen kann: Nicht nur steht demnächst eine Veranstaltungsreihe mit dem Naturpark Uckermärkische Seen an – „Cinema for Future“ –, sondern das Thema Nachhaltigkeit soll verstärkt auf die Agenda rücken. Jugendliche gilt es noch besser einzubinden. Und auch über einen zweiten Kinosaal will sie nachdenken. Es ist klar: Das Multikulturelle Centrum wird bleiben, und es wird weiterhin zu seinem Namen stehen. Dazu, eine positive und weltoffene Haltung in der Region einzunehmen.

Links

Weitere Informationen zum Multikulturellen Centrum sind online auf der Website des Kinos zu finden.

alle Bilder: © Aktionsbündnis Brandenburg / Santiago Flores Castro

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