Ob jemand mit Rechtspopulist*innen debattieren möchte, ist eine persönliche Entscheidung und diese kann je nach Anlass, Öffentlichkeit und Zeitressourcen variieren.
- Rechtspopulist*innen vertreten offen demokratie- und menschenfeindliche Positionen – aber auch solche, die zumindest einigen Menschen durchaus vernünftig und diskutabel erscheinen mögen. Diesen inhaltlich-argumentativ zu begegnen, ist überzeugender, als sie einfach als „rechtspopulistisch“ zu brandmarken.
- Je öffentlicher eine Debatte ist, desto wichtiger ist es, sie zu führen: Denn es geht nicht unbedingt darum, die rechtspopulistischen Gesprächspartner*innen selbst zu überzeugen (das ist schwer ohne Beziehungsebene), sondern viel mehr darum, schweigende Mithörende oder Mitlesende zu erreichen, deren Meinung noch nicht gefestigt ist.
- Wer sich in eine Debatte mit Rechtspopulist*innen begibt, sollte bedenken:
- Es gibt unter ihnen etliche geschulte Rhetoriker*innen. Gerade in ihren Kernthemen sind sie inhaltlich sehr stark – in anderen Bereichen dagegen oft nicht so sehr.
- Rechtspopulist*innen verfolgen meist eine eher destruktive Gesprächsstrategie. Es geht um die Anklage von (vermeintlichen) Problemen oder skandalösen Verhältnissen, Verfehlungen von „Eliten“ oder „Gutmenschen“. Gerade deshalb kann es interessant sein, erst einmal alle vermeintlichen Fakten zu hinterfragen und inhaltlich nach Lösungen für die benannten Probleme zu fragen. Auch gut: Bis zum (menschenrechtswidrigen, grundgesetzwidrigen) Kern der jeweiligen Aussage fragen – was ist zum Beispiel gemeint mit „Die Grenzen mit Waffengewalt verteidigen“?
- Es gibt unterschiedliche Arten von rechtspopulistischen Gesprächspartner*innen, die ihre Tücken haben: Aggressiv Diskutierende und Hardliner werden eher rüde und persönlich unangenehm. Sachliche Vertreter*innen können jovial und aufgeweckt auftreten und so Sympathien gewinnen.
- Rechtspopulist*innen einladen? Natürlich können Sie Rechtspopulist*innen auf ein Podium oder zu einem Interview einladen. Allerdings sollten Sie vorher bedenken:
- Jede Einladung werden die Rechtspopulist*innen nutzen, um die Legitimität ihrer politischen Forderungen zu belegen. Auch, wenn Sie das nicht so meinen.
- Auf Podien kommen eher keine ungeschulten Mitläufer*innen. Überschätzen Sie nicht Ihre Fähigkeiten zur „Entzauberung“. Vorbereitung ist Pflicht, ebenso eine adäquate Besetzung des Podiums.
- Mitdiskutant*innen oder Besucher*innen kommen eventuell nicht, weil sie etwa als potenzielle Zielgruppe rechtspopulistischen Hasses Angst haben – überlegen Sie also, wen Sie ausschließen wollen.
- Ausgewogenheit heißt nicht, dass Sie immer aller Positionen abbilden müssen, also etwa alle politischen Parteien einladen müssen. Es ist aber eine Frage der Haltung: Wenn Kritik daran kommt, müssen Sie diese aushalten und am besten begründen können, warum Sie sich so entschieden haben.
- Rechtspopulismus im Alltag: Die meisten von uns treffen auf rechtspopulistische, rassistische, antisemitische, sexistische, „gegen die da oben“-Thesen vor allem im Alltag – im Arbeits- und Bekanntenkreis, in der Timeline auf Facebook oder Twitter.
- Das ist deshalb gut, weil unsere Chancen viel größer sind, überzeugend zu wirken, wo eine Beziehungsebene herrscht, die Person uns also irgendwie mag oder zumindest mit uns auskommen muss.
- Haben Sie dabei keine Angst, über Themen nicht genug Bescheid zu wissen. Es geht nicht darum, jemand an die Wand zu argumentieren. Es geht vielmehr um Widerspruch, um Kommentieren, um Hinterfragen, damit abwertende, rassistische, hasserfüllte Aussagen nicht einfach so stehen bleiben. Denn das interpretieren Rechtspopulist*innen (und ebenso die abgewerteten Gruppen) oft als Zustimmung.
- Selbst wenn Sie von einem Thema keine Ahnung haben, können Sie:
- auf Verallgemeinerungen hinweisen („Der“ Islam, „das“ Frauenbild, …)
- auf Gruppenzuweisungen hinweisen („Wir“ vs. „die“)
- auf Unstimmigkeiten in der Argumentation hinweisen, nachfragen
- Lösungen einfordern, Konsequenzen aufzeigen
- Unbehagen äußern
- sich positionieren: rassistische und rechtspopulistische Postings nicht unkommentiert stehen lassen, nicht schweigen
- Haltung zeigen mit Ich-Botschaften:„Ich verstehe, was Sie meinen. Aber das entspricht nicht meinem Menschenbild.“; „Ich sehe Menschen als gleichwertig an.“; „Ich empfinde es als zynisch, wenn Sie sagen, dass…“
- Das Ziel der Debatte ist nicht, dass eine Meinung „gewinnt“ – sondern dass sich Menschen, während sie sich austauschen, Gedanken zum Thema machen, Haltungen entwickeln und vertreten und sie bestenfalls daran testen, dass sie sich in den Blickwinkel des Gegenübers hinein versetzen und ihre Einstellung dahingehend überprüfen. Dazu gehört auch, alle Fairness, die man selbst erwartet, auf sein Gegenüber anzuwenden.
Simone Rafael
Der Text ist ein Auszug aus der Broschüre „Positionieren Konfrontieren Streiten – Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD“ der Amadeu Antonio Stiftung. Sie können die Broschüre auf der Website der Amadeu-Antonio-Stiftung herunterladen oder per E-Mail an info@amadeu-antonio-stiftung.de gedruckt bestellen.