Versammlungen unter freiem Himmel
Eine Beschränkung des Teilnehmerkreises bei Versammlungen unter freiem Himmel ist rechtlich nicht möglich. Veranstalter*innen von Versammlungen unter freiem Himmel nehmen zur Verwirklichung ihres Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit öffentliche Straßen und Flächen in Anspruch, die sie selbst nicht einschränken dürfen. Eine Versammlung unter freiem Himmel kann daher von allen besucht werden. Das bedeutet auch, dass Personen teilnehmen können, die dem Thema der Versammlung ablehnend gegenüberstehen und diese Haltung beispielsweise durch Zwischenrufe zum Ausdruck bringen. Dieses Verhalten muss von Veranstalter*innen grundsätzlich geduldet werden.
Teilnehmer*innen dürfen die Ordnung der Versammlung aber nicht „gröblich stören“. Gröbliche Störungen sind Einwirkungen auf die Versammlung, durch die deren Verlauf besonders schwer beeinträchtigt wird, beispielsweise durch ständige Sprechchöre, Erzeugen von lautem Lärm, Verwenden von Böllern, aber auch durch Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten. Vereinzelte Zwischenrufe reichen in der Regel nicht aus, es sei denn, dadurch wird der eigentliche Redebeitrag übertönt. In einem solchen Fall kann die Person von der Versammlung ausgeschlossen werden. Dieses Recht steht nur der Polizei, nicht der Leiterin der Versammlung zu. Diese kann allerdings die Polizei darauf aufmerksam machen, dass der Veranstaltungsablauf gröblich gestört wird und auf ein Eingreifen der Polizei drängen.
Ausschluss bei Störung von Veranstaltungen
Bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen gilt ebenfalls das Versammlungsgesetz. Personen, die den Ablauf einer Versammlung gröblich stören, können nach § 11 Versammlungsgesetz von der Versammlung ausgeschlossen werden. Das Ausschlussrecht steht in diesem Fall dem*der Leiter*in der Versammlung zu, der*die selbst oder unter Zuhilfenahme von Dritten dieses Recht durchsetzen kann. Auch hier liegt eine grobe Störung nicht schon vor, wenn Besucher*innen dazwischenrufen, um ihren Unmut kundzutun, sondern erst, wenn der Ablauf der Veranstaltung besonders schwer gestört wird; beispielsweise, wenn durch ständiges Applaudieren oder Sprechchöre der eigentliche Redebeitrag nicht mehr verstanden werden kann.
Beschränkung des Teilnehmerkreises bei Veranstaltungen
Veranstalter*innen von Versammlungen in geschlossenen Räumen können nach § 6 Abs. 1 Versammlungsgesetz den Teilnehmendenkreis beschränken, indem entweder bestimmte Personen(-gruppen) in der Einladung von der Teilnahme an einer Versammlung ausgenommen werden oder die Einladung nur an bestimmte Personen(-gruppen) gerichtet wird. Die Voraussetzung dafür ist, dass der Ausschluss von bestimmten Personen(-gruppen) in der Einladung eindeutig formuliert worden ist. Eine sehr verbreitete Ausschlussklausel lautet wie folgt:
„Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtenden Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.“
Rechtliche Anforderungen an einen Ausschluss
Veranstalter*innen darauf müssen darauf achten, dass bereits in der Einladung erklärt wird, welche Teilnehmer*innen ausgeschlossen sind, dass für jede*n erkennbar ist, wer von dem Ausschluss betroffen ist, und dass die Ausschlusserklärung auf allen öffentlich kursierenden Einladungen aufgeführt ist. Andernfalls kann der Ausschluss rechtlich unwirksam werden.
So hat zum Beispiel das Verwaltungsgericht Hamburg einen Polizeieinsatz, der die Teilnahme von etwa 20 Neonazis an einer Versammlung der DGB-Jugend im Jahr 2006 zwangsweise durchgesetzt hat, für rechtmäßig erklärt. Zwar hatten die Veranstalter*innen in der Einladung zu ihrer Versammlung zum Thema „Strukturen der rechten Szene“ in Hamburg „Mitglieder und Anhänger rechtsextremer Parteien und Organisationen, wie NPD, DVU, REP und der ‚Freien Kameradschaften‘“ vom Zutritt ausgeschlossen und dies auch nochmals durch Aushang an der Tür verdeutlicht. Die Polizei hat gleichwohl die Veranstalter*innen aufgefordert, etwa 20 Neonazis einzulassen.
In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht Hamburg den Polizeieinsatz für rechtmäßig erklärt, da die Veranstaltung in lokalen Medien ohne die Ausschlussklausel angekündigt worden war, so dass der Ausschluss nicht für jedermann erkennbar gewesen sei. Den nahe liegenden Einwand, dass man auf die Presseberichterstattung keinen Einfluss hat, ließ das Verwaltungsgericht nicht gelten. Soweit erkennbar, haben sich andere Gerichte dieser Rechtsauffassung aber nicht angeschlossen. Das Urteil verdeutlicht dennoch, dass auf allen öffentlichen Ankündigungen der Ausschluss aufgeführt werden sollte.
An dieser Stelle ist auch auf ein Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 20. Juni 2012 (AZ 1 O 387/10) hinzuweisen. Einem Kreistagsabgeordneten und Stadtverordneten der NPD, der an einer im Rahmen der Antirassismustage 2010 durchgeführten Veranstaltung der Courage-Elser-Initiative Oranienburg teilgenommen und sich mehrfach zu Wort gemeldet hat, wurde durch die Veranstalter*innen ein Saalverweis erteilt. Im Vorfeld war auf einem Flyer unter Verwendung der beschriebenen Ausschlussklausel der Teilnehmerkreis beschränkt worden. Allerdings fand sich diese Ausschlussklausel nicht auf dem Flyer der Courage-Elser-Initiative, sondern lediglich auf dem Ankündigungstext des Forums gegen Rassismus und rechte Gewalt Oranienburg, das die Antirassismustage als Bündnis organisierte.
Der NPD-Abgeordnete klagte auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Saalverweises und bekam Recht. Das Landgericht Neuruppin erachtete die Ausschlussklausel als nicht ausreichend, da diese nur auf den Einladungen des Forums abgedruckt war, während die Veranstalterin selbst in ihrer Einladung nicht auf die Begrenzung des Teilnehmerkreises hingewiesen hat.
Das Landgericht Neuruppin hatte außerdem Zweifel an der Bestimmtheit der Ausschlussklausel. Die Frage der Unbestimmtheit kann vor allem an den Passus der Zugehörigkeit zur extrem rechten Szene festgemacht werden. Dieses Ausschlusskriterium könnte weiter konkretisiert werden, beispielsweise durch „Mitglieder von NPD und ‚Freien Kameradschaften‘“, also eine möglichst genaue Bezeichnung der jeweils vor Ort relevanten extrem rechten Gruppen und Organisationen. Dadurch würde sich die Gefahr, dass die Klausel wegen möglicher Unbestimmtheit als unwirksam angesehen werden könnte, verringern.
Bisher sind die Erfahrungen mit solchen Klauseln vorwiegend positiv, insofern können diese auch weiter verwendet werden.
Ausschluss von Straßenfesten
Von Versammlungen unter freiem Himmel sind Veranstaltungen auf öffentlichen Wegen und Plätzen, die nicht unter das Versammlungsgesetz fallen, zu unterscheiden – zum Beispiel Straßenfeste. Bei bestimmten politischen Veranstaltungen wie einem „Demokratiefest“ kommt sowohl eine Anmeldung als Versammlung wie auch als Sondernutzung in Betracht. Eine Anmeldung als Versammlung – soweit dieses Fest der kollektiven Meinungskundgabe dient und somit als Versammlung definiert werden kann – bietet u. a. den Vorteil, dass von der behördlichen Bestätigung der Versammlungsanmeldung auch alle weiteren behördlichen Genehmigungen mit umfasst sind, beispielsweise das Aufstellen einer Bühne.
Eine Anmeldung als Sondernutzung bietet dagegen die Möglichkeit, den Zugang und damit auch den Teilnehmerkreis zu beschränken.
Eine Sondernutzung hat den Vorteil, dass der von der Anmeldung umfasste Bereich von dem Gemeingebrauch herausgenommen wird. So können private Anmelder*innen von Veranstaltungen unter freiem Himmel eine „Festordnung“ erlassen, in der durch entsprechende Klauseln Mitglieder von rechten Organisationen und Träge*innen von Kleidungsstücken mit entsprechender Symbolik von der Teilnahme an dem Fest ausgeschlossen werden.
Pflichten privater und öffentlicher Veranstalter*innen
Bei der Anmeldung einer Sondernutzung sollte bedacht werden, ob eine öffentliche Einrichtung, etwa eine Kommune oder eine private Person, ein Verein oder ein Bündnis Veranstalter sein wird. Der Kommune als Veranstalterin ist es nur in sehr engen Grenzen möglich, bestimmte Personen(-gruppen) vom Zutritt zu ihren Veranstaltungen auszuschließen, da ihre Einrichtungen und Veranstaltungen grundsätzlich allen Bürger*innen offen stehen müssen. Dies gilt insbesondere für Abgeordnete, die grundsätzlich nicht von Veranstaltungen der Gemeinde ausgeschlossen werden können.
So hat beispielsweise das Landgericht Potsdam in einem Urteil aus dem Jahre 2013 (AZ 2 S 16/12) festgestellt, dass ein Hausverbot gegen einen NPD-Kreistagsabgeordneten für ein Bürgerfest, das von der Gemeinde veranstaltet worden war, rechtswidrig gewesen ist. Das Landgericht begründete dies mit der Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand. Ein Hausverbot, das allein aufgrund der politischen Anschauung des potenziellen Besuchers erlassen worden ist, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Aber auch private Veranstalter*innen dürfen nicht willkürlich handeln. So können sie beispielsweise nicht explizit alle Kreistagsabgeordneten einladen und lediglich die Abgeordneten der NPD davon ausnehmen. Wichtig ist ferner, dass die Festordnung in sämtlichen Ankündigungen erwähnt und am besten noch vor Ort, beispielsweise am Eingang zum Gelände, ausgehängt wird.
Rechtsanwalt Peer Stolle (Berlin)
Viele Fragen zum Umgang mit rechten Veranstaltungsteilnehmer*innen lassen sich juristisch nicht pauschal und abschließend beantworten. Durch neue Urteile müssen Handlungsempfehlungen immer wieder aktualisiert und anlassbezogen konkretisiert werden. Dieser Beitrag kann deshalb eine einzelfallbezogene fachkundige Beratung nicht ersetzen.
Empfehlenswerte Handreichungen
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin: Feste Feiern ohne Nazis. Handlungsempfehlungen für störungsfreie Straßenfeste (2015)
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin: Wir lassen uns das Wort nicht nehmen. Empfehlungen zum Umgang mit rechtsextremen Besucher/innen bei Veranstaltungen. (2010)