Wahlcheck 2025
Am 23. Februar 2025 fanden vorgezogene Bundestagswahlen statt. In unserem Wahlcheck 2025 stellten wir Kandidat*innen vor, die mit der Verbreitung extrem rechter Ressentiments oder mit Kontakten zum organisierten Rechtsextremismus auf sich aufmerksam gemacht haben.
Steffen Kotré: Höcke spricht ihm aus der Seele
Als Steffen Kotré vor einigen Jahren auf der Weihnachtsfeier des AfD-Stadtverbandes Frankfurt (Oder) eine Flasche Hochprozentiges in Form einer Kalaschnikow geschenkt bekam, freute sich der Bundestagsabgeordnete der Partei sehr: Die „Wehrfähigkeit unseres Vaterlandes“ sei schließlich „nicht mehr gegeben“, teilte er der Märkischen Oderzeitung mit. Eigentlich, so Kotré weiter, war das Geschenk für den inzwischen aus der Partei ausgeschlossenen Neonazi Andreas Kalbitz gedacht.
Die beiden Männer eint nicht nur ihre Freude an Militärischem. Steffen Kotré, Jahrgang 1971, war wie Kalbitz Unterstützer des völkisch-nationalistischen „Flügels“, hat dessen Gründungsdokument, die Erfurter Resolution, unterzeichnet und wahrt auch sonst wenig Distanz zum rechtsradikalen Milieu. Er forderte einen „Schulterschluss“ mit dem rechtsextremen Verein Zukunft Heimat und der Querdenken-Bewegung und trat bei einer Demonstration von Zukunft Heimat in Cottbus als Redner auf. Auch beschäftigte er im Bundestag Anna Leisten: Die heutige Chefin der Brandenburger Jungen Alternativen unterhält Kontakte zur rechtsextremen Identitären Bewegung und zur schlagenden Verbindung Gothia. Kotré selbst war Alter Herr der schlagenden Verbindung Corps Berlin – bis diese ihn 2022 rauswarf.
Kotré leitet den AfD Kreisverband Dahme-Spreewald, ist seit 2017 Mitglied des Bundestags und fungiert hier unter anderem als energiepolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Für die Bundestagswahl 2025 kandidiert er für den Wahlkreis Dahme Spreewald – Teltow-Fläming III. Im Rahmen seines Wahlkampfes versuchte er, eine Veranstaltung des Wählerbündnisses „Gemeinsam für Halbe“ zu kapern und zu stören.
Rechtsextreme Ansichten scheint er schon länger zu teilen. Anfang der 2000er Jahre erschien unter Kotrés Namen ein Dutzend rechtsextremer Texte, unter anderem völkische Gedichte auf Webseiten von Gruppen mit engen Verbindungen ins Neonazi-Milieu. Die Rubrik „Kotrés Welt“ und der Auftritt der Gruppe „Deutschherrenklub“ verschwanden 2004 wieder aus dem Netz, laut rbb nachdem die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften Inhalte der Gruppe als antisemitisch und als „NS-Staat verherrlichende Ideologie“ eingestuft hatte. Im Zuge des Verbotsverfahrens des rechtsextremen Compact-Magazins trat Kotré als Unterstützer der Zeitschrift auf der Pressekonferenz in Falkensee auf und beschwor in seinem Statement ein Bedrohungsszenario herauf, in welchem die Meinungsfreiheit immer weiter eingeschränkt werde. Er betont, dass alles getan werden müsse, um „nicht weiter in den Sumpf ab(zu)gleiten, in den diktatorischen Sumpf“.
Schon in den frühen Nullerjahren tauchte Kotrés Name auf einer Liste von Unterstützer*innen des Neonazis und Holocaustleugners Horst Mahler auf, darunter viele NPD-Anhänger*innen und international bekannte Holocaustleugner*innen. Auch in der jüngeren Vergangenheit fiel er durch seine Kontakte ins internationale rechtsextreme Milieu auf und ließ sich 2023 in Brastislava bei einem Vernetzungstreffen mit rechtsextremen Politiker*innen aus der Slowakei und Polen fotografieren, die vorher durch Rassismus, NS-relativierende Äußerungen und das Infragestellen des Holocaust aufgefallen waren und zum Teil dafür verurteilt wurden. Hierbei überschritt er sogar eine rote Linie der Parteichefin Alice Weidel, denn er kooperierte mit dem offen antisemitischen Grzegorz Braun, mit dem die AfD auf Europa-Ebene eine Zusammenarbeit ablehnt. 2024 nahm er in Köln an einer Beerdigung eines Kaders des extrem rechten „Sturmvogel-Jugendbund“ teil und zeigte damit auch seine Nähe zu völkischen Milieus.
Im Bereich der Klima- und Energiepolitik bewegt sich der energiepolitische Sprecher der AfD-Fraktion oftmals fern der Wissenschaft und spricht von „Klima-Hysterie“: Der menschengemachte Klimawandel sei ein „Mythos“ und „Atomkraft ist deutlich besser als Windkraft“, so Kotré. Windkraftanlagen sind für ihn die größten Umweltverschmutzer. Entsprechend warnt er vor dem Ausbau erneuerbarer Energie, welche er auch als „parasitäre Energie“ bezeichnet, der unter einer beginnenden „Öko-Diktatur“ durchgesetzt werde. Vermittelt werden damit verschwörungsideologische Narrative, in denen der Klimawandel inszeniert sei, um Demokratie und Freiheiten einzuschränken.
Dies reiht sich in Kotrés Erzählungen zu Migration ein: Im Ton der Verschwörungserzählung des Großen Austauschs spricht er davon, dass die Bundesregierung „Massenmigration ermöglicht hat und als Waffe gegen unsere Gesellschaft“ einsetze. Er behauptet: „Remigration kann Menschenleben retten.“ Das zutiefst rassistische Konzept der Remigration wird in weiten Teilen der AfD propagiert und steht für massenhafte Abschiebungen. In der Migration sieht Kotré, wie viele in der AfD, einen „Fahrplan zur Überfremdung“ und eine „Erniedrigung des deutschen Volkes“. Dieser Logik folgend fordert er laut eines Berichts der Märkischen Oderzeitung, dass Deutschland gegenüber Geflüchteten wehrhaft sein sollte. Wie radikal Kotré heute ist, der früher Mitglied der FDP war, fasst er selbst treffend zusammen: Der rechtsextreme Björn Höcke spreche ihm aus der Seele.
Am 23. Februar 2025 wurde Steffen Kotré als Direktkandidat für den Wahlkreis Dahme-Spreewald – Teltow-Fläming III in den Bundestag gewählt.