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Aktionsbündnis fragt Untersuchungsausschuss
Im November forderten die Mitglieder des Aktionsbündnis Brandenburg auf ihrem 50. Plenum Transparenz: Sie warfen dem Potsdamer Innenministerium vor, die NSU-Aufklärung zu blockieren.
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Im November forderten die Mitglieder des Aktionsbündnis Brandenburg auf ihrem 50. Plenum Transparenz: Sie warfen dem Potsdamer Innenministerium vor, die NSU-Aufklärung zu blockieren.
Das Aktionsbündnis hat daraufhin die Obleute der Landtagsfraktionen im NSU-Untersuchungsausschuss befragt.
Was haben Sie bisher getan und was beabsichtigen Sie zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Sie von dem Ministeriums des Innern und für Kommunales umfassende und nicht geschwärzte Akten erhalten?
Die Aktenschwärzungen und Einstufungen waren immer wieder Gegenstand von Besprechungen mit Vertreterinnen und Vertretern des Ministeriums des Innern und für Kommunales. Während die Akten anfangs nach den Vorstellungen der SPD-Landtagsfraktion zu hoch eingestuft wurden, hat sich diese Situation deutlich verbessert. Uns liegt der Großteil der Akten des Ministeriums des Innern und für Kommunales in Form von VS-NfD [1] Einstufungen vor. D.h. der Ausschuss kann diese Akten als Vorhalt in öffentlichen Sitzungen nutzen.
Grundsätzlich gilt aber, dass ein Untersuchungsausschuss auch mit eingestuften Akten umzugehen hat. Das bringt die Materie des Untersuchungsgegenstandes mit sich. Bestimmte Akten, die etwa das operative Geschäft der Verfassungsschutzbehörden betreffen, unterliegen bis zu einem gewissen Grad einer Geheimhaltung. Als Abgeordnete des Untersuchungsausschusses kann ich Ihnen versichern, dass immer wieder von neuem zwischen Einstufungen und Ausstufungen [2] bestimmter Aktenbestände abgewogen wird. Diesen Abwägungsprozess durchliefen auch sämtliche andere Untersuchungsausschüsse.
Was haben Sie bisher getan und was beabsichtigen Sie zu unternehmen, um eine öffentliche Befragung von Zeuginnen und Zeugen zu ermöglichen?
Für die Sitzungen des Untersuchungsausschusses gilt eine ähnliche Abwägung wie für die Einstufung von Akten. Als Ausschussmitglieder versuchen wir so viele Sitzungen wie möglich öffentlich stattfinden zu lassen. Aber auch hier gibt es Bedenken, wenn es etwa um die Persönlichkeitsrechte von zu ladenden Zeuginnen und Zeugen geht. Hierzu haben wir auch die Landesdatenschutzbeauftragte angehört. Auch Tonübertragungen können reichen, die Identität eines Zeugen preiszugeben. Neben Mitarbeitern im operativen Geschäft, die besonders geschützt werden müssen, gelten die nicht-öffentlichen Sitzungen vor allem dem Schutz unbeteiligter Dritter. Ein Beispiel: Für die ehemaligen Mitgefangenen von Herrn Szczepanski, die z.T. unpolitische Gefangene waren, könnte das Offenbaren ihrer Identität schwerwiegende Folgen für das Privat- oder Arbeitsleben bedeuten. Auch hier hat der Untersuchungsausschuss Persönlichkeitsrechte zu schützen.
Was haben Sie bisher getan und was beabsichtigen Sie zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Sie von dem Ministeriums des Innern und für Kommunales umfassende und nicht geschwärzte Akten erhalten?
Das Problem der zügigen, vollständigen und weitestgehend ungeschwärzten Aktenlieferung hat sich von Beginn an gestellt. Besonders ärgerlich war, dass selbst die Akten im Geheimschutzraum umfangreiche Schwärzungen enthielten bzw. enthalten, so dass eine Zuordnung von Vermerken bzw. beschriebenen Lebenssachverhalten zu konkreten Personen kaum möglich war. Auch die oftmals äußerst hohe Einstufung verwundert – insbesondere bei Lebenssachverhalten, die über 20 Jahre zurückliegen. Wenn eine Einstufung als VS-Vertraulich und höher erfolgt, kann der Inhalt dieser Akten nicht in öffentlicher Sitzung behandelt werden.
Die CDU-Fraktion hat sich seit Beginn der Aktenlieferungen dafür eingesetzt, dass Akten im Geheimschutzraum entschwärzt werden und ggf. geschwärzte, aber heruntergestufte Akten dem Ausschuss zur Verfügung gestellt werden. Daher wurden sowohl im Januar als auch im Juli 2017 der Innen- und der Justizminister vor den Untersuchungsausschuss geladen, um eine Lösung herbeizuführen. Insbesondere der Innenminister hat Besserung gelobt – geschehen ist jedoch lange Zeit nichts.
Erst seit Anfang 2018 liegt zumindest ein Großteil der Piatto-Akten in einer heruntergestuften Version vor. Bei der Überprüfung der nicht freigegebenen Dokumente, stellt die CDU-Fraktion immer wieder fest, dass es bei zahlreichen Dokumenten ebenfalls keinen Einstufungsgrund geben dürfte. Unserer Bitte auf Herunterstufung wird oftmals entsprochen. Dieses Verfahren ist sehr zeitintensiv und mühselig, insbesondere, weil die Paginierungen der verschiedenen Akten-Dateien in der Regel nicht übereinstimmen.
Ein – theoretischer – Meilenstein im Hinblick auf die Herunterstufung war die Antwort des Parlamentarische Beratungsdiensts (PBD) auf eine Anfrage der CDU-Fraktion: Der PBD erläutert die Rechtslage, wonach der Ausschuss selbst eine Aktentrennung vornehmen darf. Danach sollen Ordner, die insgesamt als VS-Vertraulich eingestuft sind, aber Dokumente enthalten, die offen oder nur VS-NfD eingestuft sind, selbständig getrennt werden dürfen. Dieses Verfahren hätte die Herunterstufungs-Prozedur erheblich vereinfacht, weil zahlreiche Vermerke nur wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer als vertraulich oder geheim eingestuften Akte im Geheimschutzraum lagern. Da die Dateien jedoch speziell geschützt sind, ist eine Trennung derzeit aus technischen Gründen nicht möglich.
Die inkonsequente Herunterstufungspraxis des VS wurde insbesondere im November 2017 deutlich: Pünktlich zum Ende des NaBe-Komplexes [3] wurden sämtliche relevanten Akten heruntergestuft – nachdem eine Herabstufung einzelner dieser Dokumente noch im Sommer 2017 verweigert wurde. Dieser Themenkomplex hatte bereits darunter gelitten, dass zahlreiche Akten erst im Sommer 2017 geliefert wurden, weil sie bis dahin ungerechtfertigterweise im Treptow Verfahren [4] lagerten.
Was haben Sie bisher getan und was beabsichtigen Sie zu unternehmen, um eine öffentliche Befragung von Zeuginnen und Zeugen zu ermöglichen?
Das Untersuchungsausschussgesetz sieht in § 11 Abs. 1 UAG vor, dass Sitzungen grundsätzlich öffentlich stattfinden sollen. Die Öffentlichkeit kann aus öffentlichen Interessen ausgeschlossen werden. Hierzu zählen zum einen der Schutz von Persönlichkeitsrechten, zum anderen der Schutz von Staatsgeheimnissen.
In der Fassung des § 11 Abs. 2 UAG des Jahres 2016 hätte ein Ausschluss der Öffentlichkeit immer dann stattfinden müssen, wenn ein Dokument VS-NfD eingestuft ist. Denn bereits bei dieser niedrigsten Geheimhaltungsstufe soll ja gerade nicht die Öffentlichkeit Kenntnis erlangen. Da es aber kaum Dokumente gibt, die nicht mindestens VS-NfD eingestuft sind, haben die Fraktionen auf eine Änderung des UAG gedrängt. Letztlich wurde ein Minimalkonsens erreicht, der es aber erlaubt, die Öffentlichkeit auch bei VS-NfD eingestuften Dokumenten zu wahren. Denn nunmehr bedarf es überwiegender öffentlicher Interessen um die Öffentlichkeit auszuschließen.
Ein derartiges überwiegendes Interesse kann bestehen, wenn die Gefahr gegeben ist, dass ein Zeuge wegen seiner Vernehmung bedroht werden könnte. Dies trifft insbesondere bei Szene-Zeugen und noch aktiven V-Mann-Führern zu. Auch besteht bei Szene-Zeugen die Gefahr der sozialen Ächtung, sollten sie sich mittlerweile aus der Szene gelöst haben.
[2] Akten können gemäß der Geheimhaltungsstufen eingestuft, innerhalb der Stufen heruntergestuft oder aber ausgestuft werden.Wie die CDU-Fraktion bereits auf der Pressekonferenz am 8.12.2017 vorschlug, werden nunmehr ab März 2018 die widerstreitenden Interessen derart in Einklang gebracht, dass die Vernehmung potenziell gefährdeter Zeugen in einem gesonderten Raum mit einer Live-Tonübertragung für die interessierte Öffentlichkeit stattfindet. So kann die Öffentlichkeit die Vernehmung unmittelbar verfolgen, der Zeuge ist jedoch im Hinblick auf seine Person geschützt.
Die Parteien des Untersuchungssauschusses bemühen sich im Grundsatz um eine fraktionsübergreifende Beweisführung. Fast alle Beweisanträge sind, mit Ausnahme der AfD, gemeinsam beschlossen worden. Dementsprechend ist die Zulieferung von Aktenmaterial und dessen Einstufung/Schwärzung auch ein fraktionsübergreifendes Problem, welches wir in nicht-öffentlichen Beratungssitzungen intensiv mit den Vertretern der Ministerien diskutieren. Insoweit ist die in ihrer Anfrage mitschwingende Annahme, der Ausschuss würde Einstufungen und Schwärzungen mehr oder weniger diskussionslos hinnehmen, nicht zutreffend.
Offen gesagt, erzeugen Ihre Einzelanfragen an die jeweiligen Obleute des Untersuchungs-ausschusses erst das Bild, einige Fraktionen würden sich mehr bemühen, als andere. Wir können Ihnen versichern, dass die Diskussionen um die Aktenzulieferung ausführlich und mitunter hitzig geführt werden. Bislang haben wir jedoch stets einen Konsens mit den Behörden gefunden, der eine Bearbeitung des Untersuchungsgegenstandes ermöglicht. Die Aktenvorhalte der letzten öffentlichen Sitzungen geben davon ein Bild.
Die Haltung der Behörden ist sicherlich kritikwürdig. Ihre Bewertung als „Blockierungen“, „Zwang“ oder „Skandal“ erscheint uns derzeit aber überzogen. Eine Kritik am Verhalten der Ministerien werden wir selbstverständlich im Rahmen des Abschlussberichtes vornehmen.
Was haben Sie bisher getan und was beabsichtigen Sie zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Sie von dem Ministeriums des Innern und für Kommunales umfassende und nicht geschwärzte Akten erhalten?
Wir haben uns an den Diskussionen mit den Ministerien rege beteiligt. Bislang ist das gelieferte Material in keinem Maße so eingestuft oder geschwärzt worden, dass wir damit keine Untersuchung hätten führen kön[2] Akten können gemäß der Geheimhaltungsstufen eingestuft, innerhalb der Stufen heruntergestuft oder aber ausgestuft werden.nen. Dass wir ausschließlich Akten erhalten, die überhaupt nicht geschwärzt oder geheim eingestuft sind, ist aufgrund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen, nicht zuletzt des Schutzes der Persönlichkeitsrechte Privater oder Interessen anderer Landesbehörden, unmöglich.
Was haben Sie bisher getan und was beabsichtigen Sie zu unternehmen, um eine öffentliche Befragung von Zeuginnen und Zeugen zu ermöglichen?
Die Beweiserhebungen des Untersuchungsausschusses werden im Grundsatz immer öffentlich geführt. In bestimmten Einzelfällen, deren konkrete Anzahl vom Untersuchungsgegenstand abhängt und nicht von einer Art „Wettbewerb um die meisten öffentlichen Vernehmungen“, ist es jedoch zum Schutze von Persönlichkeitsrechten oder anderen Sicherheitsbestimmungen notwendig, die Beweisaufnahme nicht-öffentlich oder geheim stattfinden zu lassen. Bei bestimmten Zeugen kommen auch vernehmungstaktische Erwägungen dazu. Auch hier diskutieren wir mit den anderen Fraktionen immer über die beste Variante. Keinesfalls „zwingt“ uns eine Behörde zu irgendetwas. Bislang haben wir auch stets einen überwiegenden Konsens erreicht. Keine Fraktion hielt es bisher für notwendig, bestimmte Maßnahmen des Ausschusses förmlich zu beanstanden oder gar den Rechtsweg zu beschreiten.
Was haben Sie bisher getan und was beabsichtigen Sie zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Sie von dem Ministeriums des Innern und für Kommunales umfassende und nicht geschwärzte Akten erhalten?
Die bündnisgrüne Fraktion hat sich im NSU-Untersuchungsausschuss Brandenburg von Anfang an konsequent für die umfassende Übersendung von Beweismitteln und für eine weitestgehend ungeschwärzte Übersendung von Akten seitens aller Sicherheits- und Justizbehörden sowie der Ministerien eingesetzt. „Weitestgehend ungeschwärzt“ bedeutet, dass es die Fraktion lediglich für hinnehmbar hält, wenn die Namen von nicht enttarnten V-Leuten und V-Personen-Führer*innen geschwärzt werden. Nicht akzeptabel ist hingegen die Schwärzung von Namen anderer Rechtsextremist*innen, wie sie immer noch teilweise stattfindet, und von (anderen) Mitarbeiter*innen der Verfassungsschutzbehörde unterhalb der Referatsleiter*innen-Ebene, wie sie immer noch die Regel ist. Darüber hinaus sind selbst im Geheimschutzraum – also in sehr sicher verwahrten Akten – umfangreiche Textpassagen geschwärzt, was nicht akzeptabel ist. Denn die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter*innen haben sich förmlich zur Geheimhaltung verpflichtet. Und die Mitarbeiter*innen sind obendrein sicherheitsüberprüft worden. Folglich müssen ihnen im Geheimschutzraum – von absoluten Ausnahmefällen abgesehen – ungeschwärzte Akten bis zum Verschlusssachengrad „geheim“ vorgelegt werden.
Die bündnisgrüne Fraktion hat in Obleuterunden, Untersuchungsausschusssitzungen und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit stets in der eingangs dargestellten Weise Position bezogen. Die bündnisgrüne Fraktion war deshalb auch an beiden Ein- bzw. Vorladungen des Innen- und des Justizministers beteiligt, weil die Aktenlieferungen aus beiden ministerialen Geschäftsbereichen die Untersuchungsausschussarbeit massiv behindert und teilweise auch verhindert haben. Der Geschäftsbereich des Innenministeriums, insbesondere der Bereich der Verfassungsschutzbehörde, war insgesamt jedoch deutlich stärker betroffen als der Geschäftsbereich des Justizministeriums.
Was den Geschäftsbereich des Justizministeriums betrifft, so sind aktuell keine Mängel (mehr) in der Aktenvorlage zu beklagen.
Anders sieht es im Geschäftsbereich des Innenministeriums aus. Auch im ersten Quartal des Jahres 2018 hat der Untersuchungsausschuss heruntergestufte Fassungen von ursprünglich als „vertraulich“ oder „geheim“ eingestuften Akten erhalten, die absurde Schwärzungen aufweisen. So wurden vom Verfassungsschutz beispielsweise Beamt*innen-Namen bis hinauf zur Abteilungsleiter*innenebene des Justizministeriums geschwärzt – obwohl die Justizbehörden und das Justizministerium ihrerseits keine Namen ihrer Beamt*innen schwärzen und selbst der Verfassungsschutz das bei seinen Beamt*innen „nur“ unterhalb der Referatsleiter*innen-Ebene macht.
Nachdem der NSU-Untersuchungsausschuss bei seinem ersten Thema, dem Komplex zur „Nationalen Bewegung“, aufgrund zunächst unterbliebener und schließlich zu spät erfolgter Aktenlieferungen weit hinter seinen Möglichkeiten geblieben ist, ist das auch für Themen nach dem „Piatto“-Komplex zu befürchten. Als Beispiel sei der „Märkische Heimatschutz“ genannt.
Bezüglich dieser Gruppierung ist von Interesse, inwiefern sie Kontakte zum „Thüringer Heimatschutz“ gepflegt hat, in dem Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe politisch sozialisiert worden sind. Außerdem gilt es zu prüfen, ob auch der „Märkische Heimatschutz“ analog zum „Thüringer Heimatschutz“ maßgeblich von V-Leuten des Verfassungsschutzes aufgebaut und geführt worden ist.
Die Verfassungsschutz-Akten, die dem Untersuchungsausschuss zum „Märkischen Heimatschutz“ vorliegen und auch nur im Geheimschutzraum vorliegen, sind allerdings derart umfangreich geschwärzt, dass ihr Inhalt allenfalls ansatzweise ausgewertet werden kann. So sind beispielsweise manche Namenslisten komplett geschwärzt.
Die bündnisgrüne Fraktion wird weiterhin mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für eine umfassende Aktenvorlage und eine weitestgehend schwärzungsfreie Vorlage eintreten. Die Möglichkeiten der bündnisgrünen Fraktion im NSU-Untersuchungsausschuss sind jedoch insofern begrenzt, als dass sie ausschließlich über eine Stimme in dem zehnköpfigen Gremium verfügt.
Was haben Sie bisher getan und was beabsichtigen Sie zu unternehmen, um eine öffentliche Befragung von Zeuginnen und Zeugen zu ermöglichen?
Die bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende Ursula Nonnemacher, die auch als Obfrau ihrer Fraktion im NSU-Untersuchungsausschuss fungiert, hat sich bisher ausnahmslos für öffentliche Zeug*innen-Vernehmungen ausgesprochen und auch entsprechend abgestimmt – sowohl in Obleuterunden als auch in Untersuchungsausschusssitzungen. Das gilt auch für ihre Stellvertreterin Marie Luise von Halem.
Zudem hat die bündnisgrüne Fraktion von Anfang an konsequent gefordert, dass Behörden und Ministerien die geltende Rechtslage einhalten und nur dann Dokumente als „vertraulich“ oder „geheim“ einstufen, wenn die rechtlichen Kriterien dafür erfüllt sind – also eine entsprechende Gefährdung des Staatswohls drohen würde, wenn der Inhalt der Dokumente in der Öffentlichkeit bekannt würde. Die Einstufung erfolgte seitens der Behörden und Ministerien leider über Monate hinweg nur teilweise korrekt. Betroffen waren Dokumente in einem Umfang von mehreren Tausend Seiten, die grundlos im Geheimschutzraum des Landtags weggeschlossen werden mussten. Darunter waren sogar Medienberichte in dreistelliger Zahl.
Eine Herunterstufung auf den niedrigsten Verschlusssachengrad „Nur für den Dienstgebrauch“ oder eine Ausstufung ist die Voraussetzung dafür, dass Akteninhalte öffentlich behandelt werden dürfen.
Die bündnisgrüne Fraktion hat sich in Obleuterunden, Untersuchungsausschusssitzungen und im Wege der Öffentlichkeitsarbeit dafür eingesetzt, dass die nicht sachgemäße Geheimhaltungspraxis geändert wird. So konnte der Untersuchungsausschuss im Gespräch mit dem Innenminister wenigstens für den „Piatto“-Komplex erfolgreich vereinbaren, dass die Einstufungen umfänglich überprüft werden.
Als – ein rundes Jahr später – endlich heruntergestufte Fassungen der Treffvermerke [5] im Fall „Piatto“ übersandt wurden, stellte sich jedoch heraus, dass bezüglich zahlreicher Dokumente nach wie vor eine heruntergestufte Fassung verweigert wurde – und das wohlgemerkt ohne Begründung. Dabei ist zu beachten, dass grundsätzlich von jedem Dokument eine heruntergestufte Fassung angefertigt werden kann, indem alles geschwärzt wird, was eine höhere Geheimhaltungsstufe erfordern würde. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, warum der Untersuchungsausschuss nicht von Anfang an generell auch Aktenfassungen geliefert bekommen hat, deren Inhalte in öffentlicher Sitzung vorgehalten werden können. Dabei ging es bisher in der Regel um Dokumente, die schon 14 bis 26 Jahre alt sind.
Die bündnisgrüne Fraktion hat die Dokumente im Geheimschutzraum analysiert und unzählige Anträge auf Ausstufung oder hilfsweise auf heruntergestufte Fassungen gestellt. Diese wurden seitens der Behörden dann überwiegend bewilligt beziehungsweise vorgelegt. In den Fällen, in denen das weiterhin verweigert wurde, hat die bündnisgrüne Fraktion abermals heruntergestufte Fassungen beantragt und für den erneuten Ablehnungsfall detaillierte Begründungen eingefordert, um ggf. erneut den Innenminister konfrontieren zu können. Daraufhin wurden auch von diesen Dokumenten heruntergestufte Fassungen vorgelegt.
Bezüglich der Aktenbestände zum Themenkomplex der „Nationalen Bewegung“ haben das Innen- und das Justizministerium keine generelle Überprüfung der Geheimhaltungsgrade vorgenommen. Aufgrund dieser misslichen Lage hat die bündnisgrüne Fraktion für Dokumente im Umfang von vielen Tausend Seiten eine Ausstufung und – alternativ – heruntergestufte Fassungen beantragt. Das Gros dieser Anträge wurde aus dem Geschäftsbereich des Innen- und des Justizministeriums erst auf die letzte Beweisaufnahmesitzung hin und teilweise sogar erst nach dem Ende der Beweisaufnahme zum „NaBe“-Komplex positiv beantwortet.
Aus diesen Rahmenbedingungen resultierte ein Teil der geheimen Zeugenvernehmungen. Denn solange Dokumente als „vertraulich“ oder „geheim“ eingestuft sind, können die Inhalte nicht in öffentlicher Sitzung behandelt werden. Andere Zeugenvernehmungen fanden hingegen nur deshalb nicht-öffentlich statt, weil es eine Mehrheit des NSU-Untersuchungsausschusses so beschlossen hat.
Die bündnisgrüne Fraktion wird auch weiterhin heruntergestufte Aktenfassungen beantragen, um deren Inhalte in öffentlicher Sitzung vorhalten zu können. Diese Anträge verursachen allerdings einen großen Arbeitsaufwand, der zwangsläufig nicht für die eigentliche Untersuchungsarbeit zur Verfügung steht. Hinzu kommt, dass die Akten zweimal ausgewertet werden müssen: zuerst im Geheimschutzraum und nach einer Herunterstufung außerhalb. Denn die Aufschriebe dürfen nicht aus dem Geheimschutzraum mitgenommen werden. Das betrifft viele Tausend Aktenseiten.
Eine Zeug*innen-Befragung ohne Öffentlichkeit kommt für die bündnisgrüne Fraktion abseits von nachvollziehbaren Geheimhaltungserfordernissen nur dann infrage, wenn sie zur Sicherheit der Zeug*innen dringend geboten erscheint.
Abschließender Hinweis:
Der bisherige Einsatz der bündnisgrünen Landtagsfraktion für die umfassende und weitestgehend ungeschwärzte Lieferung von Akten sowie für die öffentliche Befragung von Zeug*innen kann auch im Fraktions-Blog zum NSU-Untersuchungsausschuss nachvollzogen werden.
[1] Für Dokumente im deutschen und europäischen Recht gelten in der Regel vier Geheimhaltungsstufen: Streng Geheim (str. geh.), Geheim (geh.), Verschlusssache – Vertraulich (VS-Vertr.) sowie Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD). VS-NfD bedeutet, dass die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann.
[2] Akten können gemäß der Geheimhaltungsstufen eingestuft, innerhalb der Stufen heruntergestuft oder aber ausgestuft werden.
[3] Mit dem NaBe-Komplex ist die Untersuchung im Zusammenhang mit der Nationalen Bewegung gemeint, siehe https://brandenburg.nsu-watch.info/dossier-nationale-bewegung/.
[4] Dieses Vorgehen ist benannt nach einer geheimdienstlichen Außenstelle in Berlin-Treptow. Dort wurde es vom BND-Untersuchungsausschuss, der von 2006 bis 2009 tagte, erstmalig praktiziert. Die Obleute hatten die betreffenden Akten zunächst unter Aufsicht gelesen und dann darüber befunden, ob Papiere bei der Ausschussarbeit genutzt werden sollten.
[5] Ein Treffvermerk ist ein Vermerk über Treffen zwischen V-Leuten und V-Personen-Führer_innen.