Beide gehören ebenfalls zum Umfeld der Partei und sind eng miteinander verflochten. Als kommunalpolitische Vereinigung steht dem AfD-Landesverband der Kommunalpolitische Heimatverein Brandenburg e.V. (KHV) nahe.
Merkmale und Finanzierung parteinaher Stiftungen
Für jene Stiftungen, die politischen Parteien nahe stehen und von ihnen anerkannt wurden, werden unterschiedliche Bezeichnungen verwendet, zum Beispiel politische Stiftungen oder Parteistiftungen. Genauer ist es, von parteinahen Stiftungen zu sprechen. Diese sind Institutionen der politischen Bildung im In- und Ausland, der wissenschaftlichen Forschung, der Begabtenförderung und der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Zwar werben sie für die politischen Ansichten der jeweiligen Parteien und führen in der Regel das Parteiarchiv, sind aus rechtlichen Gründen von ihnen aber organisatorisch und finanziell unabhängig. Ausschließlich die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung ist eine Stiftung im Sinne des Privatrechts. Die übrigen sind eingetragene Vereine (e.V.) und als gemeinnützig anerkannt.
Ihre in erster Linie staatliche Finanzierung aus Steuergeldern regeln die Haushaltsgesetze des Bundes und der einzelnen Bundesländer. Die Aufteilung der Gelder aus den Mitteln des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie des Auswärtigen Amtes orientiert sich an den Wahlergebnissen der Parteien für den Deutschen Bundestag. Eine weitere Voraussetzung für den Bezug öffentlicher Mittel auf Bundesebene ist, dass der nahestehenden Partei zum zweiten Mal der Einzug in das höchste deutsche Parlament gelungen ist. Für die Desiderius-Erasmus-Stiftung besteht während der Wahlperiode seit 2017 daher noch kein Anspruch auf Bundesmittel.
In Brandenburg richtet sich die finanzielle Förderung der den Parteien nahestehenden Stiftungen nach den Ergebnissen der Landtags- und der Kommunalwahlen. Einen Anspruch auf Unterstützung durch das Bundesland haben parteinahe Stiftungen und kommunalpolitische Vereinigungen jener Parteien, die entweder seit mehr als zwei Legislaturperioden im Landesparlament vertreten sind oder zugleich im Landtag, im Bundestag und im Europaparlament sitzen.
Der Haushaltsplan Brandenburgs weist für die Förderung eine Gesamtsumme aus, die für alle parteinahen Stiftungen und kommunalpolitischen Vereinigungen zur Verfügung steht. Im Doppelhaushalt 2019/2020 sind dafür 1,7 Millionen Euro für das Jahr 2019 und 1,5 Millionen Euro für 2020 vorgesehen. Diese werden entsprechend der Wahlergebnisse auf die Stiftungen und Vereinigungen verteilt.
Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V.
Die DES hat ihren Sitz in Berlin und wurde auf dem Bundesparteitag der AfD am 30. Juni 2018 als parteinahe Bundesstiftung anerkannt. Sie ging 2017 aus der 2015 in Lübeck gegründeten gleichnamigen Landesstiftung hervor. Vorausgegangen waren Streitigkeiten zwischen verschiedenen Stiftungsprojekten in unterschiedlichen Bundesländern. Hinzu kamen Kontroversen darüber, ob in Abgrenzung zu den anderen Parteien die AfD überhaupt eine Stiftung haben und, wenn ja, welchen Namen sie tragen sollte.
Benannt ist die bundesweit aktive Stiftung nach Desiderius Erasmus von Rotterdam (ca. 1466-1536), einem der wichtigsten Repräsentanten des europäischen Humanismus der Renaissance. Vor dem Hintergrund der stellenweise judenfeindlichen Schriften des Gelehrten kommt der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik zu dem Schluss, dass die AfD Erasmus von Rotterdam als einen „aufgeklärten, letztlich intoleranten Verteidiger des christlichen Abendlandes“ deutet.
Stiftungsvorsitzende ist die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach, die unter anderem von 1998 bis 2014 Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) war. Vorsitzender des Kuratoriums ist Max Otte, Ökonom und Mitglied der CDU. Sowohl im Vorstand als auch im Kuratorium der Stiftung finden sich unter den überwiegend männlichen Mitgliedern mehrere AfD-Politiker sowie Vertreter der sogenannten Neuen Rechten. So etwa der Publizist Karlheinz Weißmann, stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums, oder der emeritierte Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, der die extrem rechte Kampagnenagentur Ein Prozent unterstüzt.
Ihre Aufgaben sieht die Stiftung in der Schulung und Weiterbildung, im Aufbau eines Bildungswerkes und einer politischen Akademie, in der Politikberatung sowie in der Begabtenförderung. Gegenüber dem rechtsextremen Monatsmagazin Zuerst (Ausgabe Mai/2018) beschrieb Alice Weidel, Ko-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, die DES als „Ideenschmiede“ der Partei.
Von Dezember 2017 bis Februar 2019 führte die Stiftung lediglich 16 Veranstaltungen und Seminare durch. Referent*innen und Moderator*innen waren zum größeren Teil Mitglieder des Kuratoriums oder des Vorstandes, von den übrigen waren etwa die Hälfte Mandatsträger*innen der AfD. Eine der ersten Veranstaltungen des DES fand Ende März 2018 in Potsdam statt.
Akademische Erasmus Stiftung e.V.
Die AES wurde am 4. Juni 2016 in Berlin-Tegel gegründet. Als Ort ihres Sitzes gibt sie Potsdam an, ihre Kontaktadresse ist jedoch mit dem Sitz der ESBB in Falkensee identisch.
Vorstandsvorsitzende ist die Juristin Victoria Bronson, geborene Tuschik, bis 2017 Justiziarin der AfD-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt und Mitarbeiterin des AfD-Bundestagsabgeordneten Roman Reusch. Im Herbst 2018 wurde sie erfolglos von der märkischen AfD-Landtagsfraktion als Kandidatin für das Amt der Verfassungsrichterin in Brandenburg nominiert. Weitere Vorstandsmitglieder aus Brandenburg sind Rainer van Raemdonck (MdL, Kreisverband Havelland), Schatzmeister der AES, sowie die Besitzenden Franz Wiese (MdL, Kreisverband Märkisch-Oderland), Thomas Jung (MdL, Kreisverband Potsdam) und Lena Duggen (Kreisverband Havelland). Die Rechtsanwältin ist Mitarbeiterin van Raemdoncks im Landtag. Alle übrigen Mitglieder des Stiftungsvorstandes gehören den AfD-Landesverbänden Berlin und Thüringen an.
Die AES ist weder ein Ableger noch ein Landesbüro der DES. Im Streit um die Rolle der bundesweit führenden AfD-nahen Stiftung konkurrierte sie vor 2018 mit der Desiderius-Erasmus-Stiftung und dem Immanuel-Kant-Verein e.V. aus Bonn. Eigenen Angaben zufolge war die Akademische Erasmus Stiftung die erste parteinahe Stiftung der AfD, die den Anspruch verfolgt, bundesweit tätig zu sein. In der Realität beschränkten sich ihre bisherigen Aktivitäten auf Brandenburg. Als Stiftung auf Bundesebene steht ihr keine Förderung aus Landesmitteln zu.
Ihre sehr allgemein gehaltenen Ziele sind die Vermittlung moralischer und politischer Werte sowie die Unterstützung von Wissenschaft, politischer Bildung und Kultur. Hierzu sollen verschiedene Veranstaltungsformate durchgeführt werden. Ein wichtiges Anliegen ist ihr die Förderung der deutsch-russischen Beziehungen. Victoria Bronson reiste dafür im Mai 2018 als Teil einer AfD-Delegation auf die von Russland annektierte Halbinsel Krim, um sich mit Angehörigen der dortigen umstrittenen Regionalregierung auszutauschen.
Auf der Internetseite der AES werden aktuell lediglich zwei durchgeführte Veranstaltungen genannt: ein als „Human Rights Congress“ deklarierter Vortrag von Karl Albrecht Schachtschneider im Oktober 2017 sowie ein Vortrag von Thorsten Schulte, Autor im rechten verschwörungsideologischen Kopp Verlag, mit anschließender Podiumsdiskussion im Januar 2018. Beide fanden in Potsdam mit überschaubarem Publikum statt.
Erasmus-Stiftung Brandenburg e.V.
Die ESBB ist vom AfD-Landesverband als parteinahe Stiftung anerkannt. Den Brandenburger Regelungen zufolge kann sie zur Förderung ihrer Projekte Mittel des Landes beantragen. Die Gründungsversammlung der Erasmus-Stiftung fand am 6. Juli 2016 in Berlin statt. Ihren Sitz hat sie in Falkensee, wo sie auch Veranstaltungsräume unterhält. Ehrenvorsitzender der Stiftung ist das DES-Vorstandsmitglied Konrad Adam, Mitgründer und bis 2015 einer der drei Bundessprecher der AfD. Vorstandsvorsitzender ist Rainer van Raemdonck, Stellvertretender Vorsitzender des Vereins ist Thomas Jung. Lena Duggen wird als Generalsekretärin angeführt.
Die Stiftung betreibt nach eigenen Angaben politische Bildungsarbeit im Sinne der vom Land Brandenburg unterstützten Stiftungen mit den thematischen Schwerpunkten direkte Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit. Bei den wenigen durchgeführten Diskussions- und Vortragsveranstaltungen traten ausschließlich männliche Referenten auf: Mitglieder der AfD Brandenburg wie Steffen Kotré (MdB, Beisitzer im Landesvorstand und Vorsitzender des Kreisverbandes Dahme-Spreewald), parteinahe Juristen wie Karl Albrecht Schachtschneider oder Dietrich Murswiek und Vertreter der extremen Rechten wie Michael Schäfer. Dieser war Mitglied der NPD, von 2007 bis 2012 Bundesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten, Mitglied der militanten Kameradschaft Wernigeroder Aktionsfront. Auch er ist gegenwärtig für Ein Prozent aktiv.
Kommunalpolitischer Heimatverein Brandenburg e.V.
Auch der 2016 gegründete Kommunalpolitische Heimatverein kann Landesmittel für sich beantragen. Laut Vereinssatzung soll sein Vermögen im Fall der Auflösung oder Aufhebung des KHV bzw. bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke der Erasmus-Stiftung Brandenburg zufallen. Als Vereinssitz wird die Landeshauptstadt genannt. Eigenen Angaben aus dem Jahr 2017 zufolge verfügt der KHV über Räumlichkeiten in Seelow. Vorsitzender ist Rainer van Raemdonck, Generalsekretärin ist Lena Duggen.
Seine Tätigkeit sieht der Verein vor allem in der Schulung und Beratung von AfD-Kommunalpolitiker*innen. Unklar ist, in welchem Umfang der KHV aktiv ist. Auf seiner ruhenden Internetseite ist nur ein Seminar zum Thema Pressearbeit vom März 2017 dokumentiert.
Streit um finanzielle Förderung
Insgesamt hat das Land Brandenburg die ESBB seit ihrer Gründung mit ca. 71.250 Euro und den KHV seit 2016 mit über 31.430 Euro gefördert. Seit 2017 verweigert das zuständige Ministerium des Innern und für Kommunales jedoch dem Kommunalpolitischen Heimatverein, seit 2018 auch der Erasmus-Stiftung die Fördermittel. Einem Bericht der Lausitzer Rundschau vom 24. April 2019 zufolge bestehen seitens des Ministeriums Zweifel an der ordnungsgemäßen Geschäftsführung der Vereine. Gemäß der Landeshaushaltsordnung dürfen Zuwendungen nur solchen Empfängern bewilligt werden, bei denen eine ordnungsgemäße Geschäftsführung gesichert erscheint und die in der Lage sind, die Verwendung der Mittel bestimmungsgemäß nachzuweisen. Gegen die Verweigerung der finanziellen Zuschüsse klagen ESBB und KHV vor dem Verwaltungsgericht Potsdam.
Enge Bindung an die AfD
Neben dem Bezug staatlicher Finanzen geht es den AfD-nahen Stiftungen darum, die Positionen der Partei zu verbreiten und zu etablieren. Das Umfeld der AfD bzw. deren Angehörige sollen in diesem Sinn gefördert, geschult, professionalisiert und nicht zuletzt mit verschiedenen Akteuren aus dem rechten Milieu vernetzt werden.
Trotz ihrer formalen Unabhängigkeit besitzen die AES , die ESBB und der KHV überaus enge Bindungen an den AfD-Landesverband. Mitglieder der Landtagsfraktion sind in den Vorständen aller Vereine vertreten, ihr Führungspersonal ist nahezu identisch. In der Öffentlichkeit sind sie bislang kaum durch Aktivitäten aufgefallen. Die Akademische Erasmus Stiftung scheint ein Überbleibsel des Streits um eine bundesweite AfD-nahe Stiftung zu sein.
Alexander Lorenz
Der Autor dankt Cathleen Bürgelt für wichtige Hinweise.