© Presseservice Rathenow
Asylfeindliche Initiativen
Seit 2013 engagieren sich im Land Brandenburg zahlreiche Protestgruppen gegen die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten.
© Presseservice Rathenow
Seit 2013 engagieren sich im Land Brandenburg zahlreiche Protestgruppen gegen die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten.
Die Initiativen sind zumeist ortsgebunden. Es gibt sie nahezu flächendeckend im Land Brandenburg, ohne dass sie über eine einheitliche Struktur verfügen. Die Initiativen treten in der Regel unabhängig in Erscheinung, stehen aber meist mit ähnlichen Gruppierungen in Kontakt. Die jeweilige inhaltliche Ausrichtung lässt sich anhand der einzelnen Namen nur schwer erkennen.Teilweise haben sich die Initiativen unverdächtige Bezeichnungen Namen wie Brandenburg erwache oder Nein zum Heim gegeben, von denen man auf die mitunter aggressiven Inhalte nicht schließen kann.
Organisiert sind die Initiativen vorrangig über Facebookgruppen und andere digitale soziale Netzwerke. Ein Teil von ihnen ruft zu Straßenprotesten auf. Einige sind nur zeitweilig aktiv, wie etwa der sogenannte Abendspaziergang in Oranienburg oder BraMM – Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung. Andere treten seit 2015 beständig in der Öffentlichkeit in Erscheinung, wie das Bürgerbündnis Havelland oder die Initiative Zukunft Heimat.
Ein Protestmilieu
Verbindendes Element der Initiativen ist die asyl- und flüchtlingsfeindliche Ausrichtung. Sie lassen sich politisch-strategisch und inhaltlich-programmatisch in zwei Gruppen unterteilen: Zum einen gibt es Gruppierungen, die zwar unter Namen wie Nein zum Heim in Guben, Frankfurt Oder wehrt sich oder Bürgerbündnis Havelland als parteiübergreifend und bürgerlich auftreten, bei denen es sich jedoch tatsächlich um extrem rechte bzw. neonazistische Initiativen handelt. Zum anderen entstanden Initiativen, die sich als direktdemokratische Zusammenschlüsse verstehen, wie etwa Zukunft Heimat oder das Bürgerforum Südbrandenburg. Diese Initiativen wenden sich gegen die Aufnahme von Geflüchteten und sind offen für rassistische und extrem rechte Anschauungen, ohne dass sie öffentlich neonazistische Positionen vertreten oder extrem rechte Personen nachweislich bei ihnen aktiv sind. Gleichwohl bestehen politische und personelle Schnittmengen, sowohl zwischen beiden Gruppen als auch mit parteipolitisch-organisierten Protesten von AfD, NPD, Die Rechte oder Der III. Weg.
Der Anti-Asyl-Protest drückt sich – neben gewaltsamen Übergriffen – hauptsächlich in zwei Aktionsformen aus: Einerseits tauschen sich die Protagonist*innen im Internet aus – vor allem auf der Social-Media-Plattform Facebook – und posten dort Beiträge, andererseits protestieren sie auf der Straße. Im Land Brandenburg gibt es laut Zählung der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle auf Facebook über 100 asylfeindliche Seiten und Gruppen (Stand November 2017). Davon ist etwa die Hälfte aktiv, die anderen Seiten wurden über einen längeren Zeitraum nicht aktualisiert. Die Anzahl der Straßenversammlungen betrug 2015 und 2016 jeweils etwa 100. Beides funktioniert weitgehend unabhängig voneinander: Zwar wird Facebook zur Mobilisierung für Demonstrationen und Kundgebungen genutzt, jedoch gibt es nicht zu jeder Facebook-Initiative einen entsprechenden Protestausdruck auf der Straße.
Sowohl auf den Facebookseiten als auch bei Versammlungen werden Falschmeldungen und beleidigende Pauschalurteile über Geflüchtete verbreitet, die diese als kriminell, unqualifiziert und ungebildet darstellen. Darüber hinaus werden Untergangsszenarien für das gesamte Land beschworen: Deutschland sei in der Gewalt islamistischer Terroristen unter Geltung der Scharia, bestärkt durch eine politische Elite, die an einem systematischen Austausch der deutschen Bevölkerung arbeite.
Zwei Protestwellen
Die Proteste sind durch gesellschaftspolitische Entwicklungen geprägt: Die erste Protestwelle ab 2013 reagierte auf die Einrichtung neuer Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete. Sie war maßgeblich durch die Nein-zum-Heim-Kampagne der NPD angetrieben. Die Partei trat dabei nicht unter eigenem Namen auf und verzichtete auf Logos und Fahnen. Anders als in Sachsen fanden diese NPD-gesteuerten Proteste in Brandenburg keinen großen Anklang in der Bevölkerung. 2015, als Hunderttausende Geflüchtete über den Balkan nach Deutschland kamen, entstanden weitere asylfeindliche Initiativen. In dieser zweiten Protestwelle verstärkte sich der Straßenprotest, es kam zu Ausschreitungen wie im sächsischen Heidenau und zu Brandanschlägen wie in Nauen im Havelland. Seitdem ist der Protest insgesamt abgeebbt, gleichzeitig haben sich einige der Initiativen, etwa die explizit nicht-neonazistische Gruppe Zukunft Heimat aus dem Spreewald, radikalisiert.
Auch für die AfD ist der Anti-Asyl-Protest ein zentrales Thema. Das macht sie zu einer wichtigen Partnerin der asylfeindlichen Initiativen. Exemplarisch für eine übergreifende Beteiligung an den Protesten sind die regelmäßigen Versammlungen von Zukunft Heimat in Cottbus im Jahr 2017: Neben der AfD waren Anhänger*innen der NPD, der neonazistischen Musikszene und rechte Fußballfans vor Ort. Für extrem rechte bzw. neonazistische Gruppierungen ist es schwerer, außerhalb ihres politischen Spektrums Zulauf zu bekommen. Deutlich wird dies am Bürgerbündnis Havelland: Während die ersten Proteste 2015 in Rathenow mehrere Hundert Menschen mobilisierten, reduzierte sich der Protest 2017 auf einen Kern von unter 50 Personen.
Svenna Berger
Zum Weiterlesen