© Aktionsbündnis Brandenburg
Brandenburg ʼ33 geht online
Am 30. Januar 2023, anlässlich es 90. Jahrestages der Machtübertragung an die NSDAP, präsentierte das Aktionsbündnis Brandenburg im Museum Neuruppin und im Livestream seine neue Website und acht Audiowalks.
„Erinnern vor Ort – das bedeutet, dort hinzuschauen, wo man sich gerade befindet. Wie war das vor 90 Jahren? Was ist an den Orten, die ich womöglich jeden Tag sehe, an denen ich vorbeigehe, die Teil meines Lebens sind, passiert?“, erklärte Thomas Wisch, Vorsitzender des Aktionsbündnisses Brandenburg. Er zitierte aus einem Beitrag auf der Website Brandenburg ’33, der vom Besuch Hitlers und Goebbels in seinem Wohnort Kloster Lehnin berichtet und ermutigte die Anwesenden dazu, sich auch in ihren Orten auf die Spurensuche zu begeben.
Bereits vor zehn Jahren, also 80 Jahre nach der Machtübertragung an die NSDAP, wurde das Projekt ins Leben gerufen. Damals hatte das Aktionsbündnis zusammen mit dem Moses Mendelssohn Zentrum und der Agentur für Bildung – Geschichte, Politik und Medien über 200 Ereignisse aus den Jahren 1931 bis 1934 aus ganz Brandenburg gesammelt und auf einer Website zusammengetragen. Diese Sammlung an Ereignissen, dieses Mosaik der Anfangsjahre des Nationalsozialismus in Brandenburg, wurde nun überarbeitet und in die neue Website überführt. Ermöglicht wurde dies durch die finanzielle Förderung der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“.
Damals wie heute zeigen diese vielen Ereignisse, wie die Nationalsozialisten ihre Macht in der Fläche Brandenburgs etabliert haben. Sie berichten von Propaganda, Terror und Verfolgung. Und sie zeigen, dass sich die Machtübergabe nicht nur im Reichstag abspielte. Thomas Wisch betonte, warum auch der Blick in die Orte Brandenburgs nötig ist: „Die Durchsetzung nationalsozialistischer Herrschaft wäre ohne die Mitwirkung und Duldung weiter Teile der Bevölkerung nicht möglich gewesen. Und Orte dieser Durchsetzung waren eben auch die Dorfschule, das Strandbad, Rathäuser, Gaststätten, Theater, Kinos, Kirchen und Marktplätze.“
„Mir war es wichtig, eine Geschichte zu erzählen“
In den Orten Brandenburg an der Havel, Buckow, Cottbus, Fehrbellin, Luckenwalde, Neuruppin, Teupitz und Wittenberge gibt es jetzt Audiowalks, Interessierte können eigenständig historische Rundgänge vornehmen. Ulrike Rothe von der Agentur für Bildung hat die Audiowalks recherchiert und geschrieben. Am Abend in Neuruppin betonte die Brandenburgerin, dass die Recherche in den Orten und der Kontakt mit lokalen Akteur*innen ihr viel Freude bereitet hat. Die Audiowalks geben ein engmaschiges Bild davon, wie sich das Leben in Brandenburg nach der Machtübergabe an die Nazis veränderte: Sie erzählen von der Vereinnahmung der Öffentlichkeit durch Aufmärsche, Reden und Umbenennungen von Straßen und Plätzen. Und sie berichten von den ersten Opfern des Regimes, den Jüdinnen*Juden und den politischen Gegner*innen aus SPD und KPD. Es wird zudem deutlich, wie die Gleichschaltung aller gesellschaftlichen Bereiche vonstatten ging – beginnend mit der Auswechslung des Personals in politischen Funktionen.
Der besondere Reiz dieser Audiowalks, so Ulrike Rothe, sind die Ausschnitte aus einer lokalen Zeitung zu Beginn jeder Station. Sie geben einen Einblick in das Alltagsgeschehen dieser Zeit. „Mir war es wichtig, eine Geschichte zu erzählen“, sagte die Historikerin. „Denn das ist das, was hängenbleibt – mehr hängenbleibt, als ein historisches Datum.“ Die Audiowalks zeigen, wie einzelne Menschen zu dieser Zeit agierten, wie sich ihr Leben veränderte und wie sie „jubilierten, mittaten, ob sie sich anpassten oder ängstlich, passiv waren oder ob sie Mut zeigten und Widerstand leisteten“.
Die über 50 Anwesenden konnten danach die Sprecher*innen der Audiowalks live drei Stationen lesen hören – aus Luckenwalde, Buckow und Neuruppin. Sie hörten, die Geschichte darüber, wie der Boxsportler Ernst Kloß von der SA ermordet wurde, wie in Buckow Hitlers Rede im Sportpalast aus den Radios tönte und wie in Neuruppin der Machtantritt Hitlers gefeiert wurde.
Ein Dank an die lokalen Partner vor Ort
Bei der lokalen Recherche der Audiowalks war der Austausch mit den Expert*innen vor Ort besonders wichtig, mit den Archiven, den Museen und den Ortschronist*innen. Thomas Wisch bedankte sich bei jenen, ohne die die Umsetzung der Audiowalks in den einzelnen Städten nicht möglich gewesen wäre: beim Bürgerverein BiKuT, der beim Audiowalk Teupitz tatkräftig unterstützte, beim Cottbuser Aufbruch, der sein lokales Wissen teilte und auch beim Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt, das bei den Recherchen und bei der Präsentation in Neuruppin ein verlässlicher Partner war.
Zum Abschluss der Veranstaltung gingen die Teilnehmer*innen gemeinsam zum ehemaligen Rathaus Neuruppin und hörten eine Station des Audiowalks Neuruppin – auch für die Beteiligten des Projektes war dies eine Premiere.