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Weitere Informationen zum Multikulturellen Centrum sind online auf der Website des Kinos zu finden.
Den Brief, den Wolfgang Janitschke damals der Landtagsfraktion der AfD schrieb, legte die Partei ihren Anträgen bei, die sie im November in der Stadtverordnetenversammlung von Templin einreichte. In gleich drei Initiativen richtete sich die dortige AfD-Fraktion gegen das Multikulturelle Centrum: Sie forderte die Entsendung von Vertreterinnen und Vertretern aller städtischen Fraktionen in den Vorstand des Trägervereins; sie wollte ein steuerrechtliches Verfahren zur Überprüfung der Gemeinnützigkeit angestrengt wissen; und sie versuchte eine radikale Reduzierung der Förderung durchzusetzen.
Die Partei führte zwar auch an, dass die Kommune in Zeiten klammer Kassen wegen der Corona-Krise Geld sparen müsse. Zugleich machte sie jedoch sehr deutlich, dass es ihr um die Gängelung jener geht, die sich gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus positionieren. Dies offenbarte auch ein vierter Antrag, der sich gegen ein gänzlich anderes Projekt richtete. Dem Templiner Jugendklub Jugendkella sollten öffentliche Mittel gestrichen werden, weil dort keine „politische Neutralität“ erkennbar sei. In der Einrichtung in kirchlicher Trägerschaft, nur wenige Minuten vom Multikulturellen Centrum entfernt, diskutieren Jugendliche die Klimabewegung „Fridays for Future“ und engagieren sich in der Kampagne „Schöner leben ohne Nazis“.
„Als privater Verein entscheiden wir selber, wer in das Haus reinkommt und wer nicht.“
Die Forderung nach Neutralität ist häufig zu hören, wenn es darum geht, Kritik an Rechtsextremismus und Rassismus zu unterbinden. „Natürlich, die Verwaltung muss sich neutral verhalten gegenüber allen gewählten Parteien, so auch gegenüber der AfD“, führt Wolfgang Janitschke dazu aus. „Wir aber sind ein privatrechtlicher Verein. Und als privaten Verein kann uns niemand in die Pflicht nehmen, dass wir nicht selber entscheiden dürfen, wer in das Haus reinkommt und wer nicht.“
Zudem meint parteipolitische Neutralität längst nicht, sich jeder politischen Äußerung zu enthalten. Vielmehr fordert die Verfassung sogar dazu auf, für Werte wie die Menschenrechte und gegen Rechtsextremismus einzutreten. Dieses Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ haben auch diverse Gutachten, die ausgerechnet die AfD im Brandenburger Landtag angestrengt hatte, immer wieder bestätigt.
Kulturschaffende weisen seit mehreren Jahren darauf hin, dass ihre Arbeit aus dem rechtsextremen Milieu zunehmend angegriffen wird. Wer das Weltbild der AfD nicht teile, gerate in den Fokus parlamentarischer Anfragen, heißt es in einer Chronik rechter Angriffe auf die Kultur. Sie wurde erstellt mit Kulturschaffenden aus dem gesamten Bundesgebiet, die sich in dem Netzwerk Die Vielen organisiert haben. Es tritt für die Freiheit von Kunst und Kultur eint, unterstützt Betroffene und und regt die Debatte vor Ort an. Viele Einrichtungen und Aktive aus dem Land haben die „Brandenburger Erklärung“ unterzeichnet, in der sie sich zur gegenseitigen Solidarität bei Hetze und Schmähungen bekennen.
Das Multikulturelle Centrum hatte bis dahin kaum Angriffe von Rechtsextremen erlebt. Vor zwei Jahren, 2019, als Angela Merkel dort zur Ehrenbürgerin ihrer alten Heimatstadt Templin ernannt wurde, beschmierten Unbekannte das Gebäude mit rassistischen Parolen. Einige Dutzend Menschen demonstrierten gegen die Bundeskanzlerin. Aber sonst? Vermutlich kommen auch AfD-Wählerinnen und Wähler ins Haus, meinen Kathrin Bohm-Berg und Wolfgang Janitschke. Zu einem der vielen Filme, zu Unterhaltungsveranstaltungen oder Ü30-Partys. „Wir machen eben für alle etwas“, so die Geschäftsführerin.
Der Bundespräsident war da, um über Kulturarbeit im ländlichen Raum zu lernen
Dieser Anspruch, für alle da zu sein, trägt das Multikulturelle Centrum vorwärts. Während anderswo Kinos unter dem Erfolg von Streamingdiensten leiden und schließen, hat man in Templin die Besucherzahl halten und zuletzt sogar steigern können. Das Multikulturelle Centrum hat sich zum Programmkino umorientiert und dadurch eine Marktlücke in der Region besetzt, erzählt Kathrin Bohm-Berg, es hat neue Programme und neue Formate eingeführt.
Es gibt eine offene Bühne, es gibt Tanzveranstaltungen, und zu dem „Wasserspiele“ genannten Festival am See nahe des Hauses kommt die halbe Stadt. Besonders freut Kathrin Bohm-Berg, dass das Multikulturelle Centrum zum Fixpunkt für kulturell Interessierte in der Uckermark geworden ist. Als Frank-Walter Steinmeier 2018 die Region besuchte und ehrenamtlich Engagierte zum Empfang in das Multikulturelle Centrum lud, organisierte sie eine Gesprächsrunde des Bundespräsidenten mit Kulturschaffenden über ihre Arbeit im ländlichen Raum. „Der Fokus sollte auf dem Landleben liegen, darauf, was es an Problemen gibt, aber was es eben auch an positiven Ansätzen und guten Projekten gibt“, erinnert sich Bohm-Berg. „Das war eine tolle Veranstaltung mit ganz vielen Vereinen aus der Region, für die es eine Auszeichnung war, eingeladen zu sein.“
Als am 25. November 2020 die AfD in der Stadtverordnetenversammlung ihre Anträge gegen das Multikulturelle Centrum einbrachte, äußerte sich zwar nicht der Bundespräsident. Das Haus erhielt jedoch Rückendeckung von allen anderen Fraktionen. Christian Hartphiel, Fraktionsvorsitzender von SPD-Grüne, wies auf den „verletzten Stolz“ der AfD hin. Und Andreas Büttner, Fraktionsvorsitzender der Linken, darauf, dass die Partei gegen Einrichtungen vorgehe, „die den Herren von der AfD offenbar nicht ins politische Weltbild passen und die nicht nach ihrer Pfeife tanzen“. Die Anträge wurden mehrheitlich abgelehnt. Im Vorfeld hatte das Multikulturelle Centrum den anderen Fraktionen eine Stellungnahme zum Thema zukommen lassen und die Angriffe entkräftet.
„Es war sehr eindrucksvoll, was um die Stadtverordnetenversammlung herum passiert ist“, erinnert sich Kathrin Bohm-Berg. „Die Veranstaltung fand ironischerweise sogar noch hier im Haus statt.“ Seit Ausbruch der Corona-Pandemie nutzt die Stadt den Kinosaal, um Abstandsregeln einzuhalten und überhaupt noch Gäste zum Lokalparlament zulassen zu können. Weil an dem Sitzungstag viele wichtige Themen besprochen wurden, waren die vorgesehenen Plätze für interessierte Bürgerinnen und Bürger frühzeitig besetzt. Zwei Nachzügler der AfD kamen nicht mehr hinein. Im Internet behaupteten sie sogleich, dass sie „unzulässigerweise“ ausgesperrt worden seien. „Das wurde sofort verdreht und gegen uns und gegen die Stadtverordnetenversammlung gewendet. Das ist eine Stimmungsmache, die man nicht akzeptieren kann“, sagt die Geschäftsführerin des Multikulturellen Centrums. Wolfgang Janitschke ergänzt trocken: „Wären sie rechtzeitig um halb fünf hier gewesen, wären sie auch reingekommen.“
Kathrin Bohm-Berg fragt sich oft, woher der neue Zuspruch für die rechtsextreme Parolen kommt, woher die starke Polarisierung in den Debatten – und wie man dem begegnen kann. „Es ist etwas los in der Gesellschaft und man muss sich fragen, warum das so ist, was da passiert, warum die Leute kein Vertrauen mehr in die etablierten Strukturen haben. Es wäre gerade jetzt wichtig, weiter miteinander zu reden.“ Damit die Differenzierung der Geschmäcker, Meinungen, Lebensweisen nicht zu einer Fragmentierung der Gesellschaft führe, müssten die Menschen zusammengebracht werden. „Das Multikulturelle Centrum ist ein Ort, an dem die Leute noch ins Gespräch kommen. Das ist eine zunehmende Herausforderung, aber auch umso wichtiger, um gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erreichen.“
Im Multikulturellen Centrum wird man sich dieser Herausforderung annehmen, und das Ende der Corona-Pandemie, das spürt man hier, kann nicht schnell genug kommen. Kathrin Bohm-Berg hat viele Ideen, was folgen kann: Nicht nur steht demnächst eine Veranstaltungsreihe mit dem Naturpark Uckermärkische Seen an – „Cinema for Future“ –, sondern das Thema Nachhaltigkeit soll verstärkt auf die Agenda rücken. Jugendliche gilt es noch besser einzubinden. Und auch über einen zweiten Kinosaal will sie nachdenken. Es ist klar: Das Multikulturelle Centrum wird bleiben, und es wird weiterhin zu seinem Namen stehen. Dazu, eine positive und weltoffene Haltung in der Region einzunehmen.
Weitere Informationen zum Multikulturellen Centrum sind online auf der Website des Kinos zu finden.
alle Bilder: © Aktionsbündnis Brandenburg / Santiago Flores Castro