Wahlcheck 2021
Am 26. September 2021 ist Bundestagswahl. In unserem Wahlcheck 2021 stellen wir Kandidat*innen vor, die mit der Verbreitung extrem rechter Ressentiments oder mit Kontakten zum organisierten Rechtsextremismus auf sich aufmerksam gemacht haben.
Silvio Wolf: Politik-Neuling ohne Berührungsängste
„Für ein Deutschland. Aber normal. Und gegen Deutschlandabschaffer“, spricht die stellvertretende AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin in die Kamera, während sie vor dem „Volksexpress“ genannten Wahlkampfbus der Partei steht. Am Steuer dieses „rollenden Großplakats“: Direktkandidat Silvio Wolf.
Der gelernte Werkzeugmacher arbeitet in dem familieneigenen Reiseunternehmen in Senftenberg, sitzt seit 2019 für die AfD im dortigen Stadtparlament und ist Vorsitzender des Kreisverbandes Oberspreewald-Lausitz. 2015 in die Partei eingetreten, verfügt der 50-Jährige offensichtlich über eher wenig Erfahrung in Sachen Politik und fiel bislang vor allem mit skurril anmutenden Auftritten auf.
Im März 2018 filmte Wolf den Beginn der Stadtverordnetenversammlung in Senftenberg. Die Aktion sollte ein „Wink mit dem Zaunpfahl sein“. Das Video landete unerlaubt auf Facebook, im Jahr darauf wurde ihm gerichtlich untersagt, es zu zeigen. Im Juli 2019 ging es in anderer Rolle wieder vors Gericht: Ein Senftenberger AfD-Stadtverordneter hatte einem Fraktionskollegen eine rechtsradikale Gesinnung unterstellt. Rechtsbeistand des Kritisierten im Prozess: Silvio Wolf. Da Wolf jedoch kein Anwalt ist, wurde er vom Richter nicht akzeptiert und schließlich sogar aus dem Gerichtssaal geworfen. Gestritten wurde über einen vermeintlichen Besuch eines Abgeordneten im „Bunker“ in Spremberg. Der Club „Bunker 38“ war bis zur Schließung 2008 ein beliebter Treff für Neonazis.
Zur gleichen Zeit musste Wolf eine Schlappe vor dem Landeswahlausschuss einstecken. Die AfD hatte ihn zwar als Kandidaten für die Landtagswahl im Herbst 2019 gewählt. Vor dem Wahlausschuss fehlten in den Unterlagen aber die Unterschriften von Monika Böger und – Überraschung – Olaf Kappelt. Der Partei gelang es nicht, diese nachzureichen, und Wolf war bei der Landtagswahl nicht mit von der Partie.
Für politisches Aufsehen sorgte Wolf bereits 2018 mit der Verbreitung einer Bildmontage: Unter einer vermeintlichen Eilmeldung an „alle Mitbürger, die noch nicht so lange hier sind“ fand sich die Falschnachricht: „Das Eis auf Gewässern hält und ist freigegeben.“ Im April 2021 hat Wolfs Senftenberger Ortsverband in sozialen Medien einen Beitrag veröffentlicht, der den Umgang mit Impfungen in der Corona-Pandemie mit der antisemitischen Diskriminierung im Nationalsozialismus verglich und damit den Holocaust relativierte.
Wolf ist Unterzeichner des „Stuttgarter Aufrufs“ von 2018, der Ordnungs- und Ausschlussverfahren gegen rechtsextreme Mitglieder als „parteischädliche Mechanismen“ verurteilt, wie auch der „Mahnung zur Einigkeit“ von 2017, die sich gegen einen möglichen Parteiausschluss des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke richtet. Höcke, so machte es bei einer Wahlkampfkundgebung in Elsterwerda im September 2021 den Eindruck, ist für Wolf wohl ebenso Vorbild wie der frühere Brandenburger AfD-Landeschef Andreas Kalbitz. Dessen Verzicht verdankt Silvio Wolf seine Kandidatur im Wahlkreis 65. Höcke und Kalbitz waren führende Vertreter des inzwischen offiziell aufgelösten, rechtsextremen „Flügels“ innerhalb der AfD.
Auch über Kontakte zu anderen extremen Rechten scheint Wolf zu verfügen: Auf einem Foto vor dem „Volksexpress“ steht er Arm in Arm mit Amin Khazaeli. Khazaeli lebt in Berlin und hat wiederholt an Demonstrationen der NPD teilgenommen.