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Wahlcheck: Rechte Lebenswelten
Am 26. Mai 2019 sind in Brandenburg Kommunalwahlen – in 14 Landkreisen mit 413 Gemeinden und den vier kreisfreien Städten.
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Am 26. Mai 2019 sind in Brandenburg Kommunalwahlen – in 14 Landkreisen mit 413 Gemeinden und den vier kreisfreien Städten.
Wahlzeiten werden besonders von rechten Parteien genutzt, um die Stimmungen in der Bevölkerung weiter anzuheizen. Wir haben uns daher die Kandidat*innen genauer angesehen: Gibt es Hinweise auf demokratiefeindliche, rassistische oder antisemitische Einstellungen? Bis zu den Wahlen werden wir uns in regelmäßigen Abständen verschiedenen Themenbereichen widmen.
Musik, Klamotten, Fußball, Kampfsport – Politik wird nicht immer über Parteiprogramme, Demonstrationen, Flugblätter oder Schulungen vermittelt. In rechten Lebenswelten wird Ideologie niedrigschwellig vermittelt und identitätsbildend gefestigt. So gelingt es, auch außerhalb der eigenen Szene einen rechten Lifestyle zu etablieren.
Rechte Fußballfanszenen
Gerade für junge Menschen bieten Fußballstadien eine Erlebniswelt: Verbale und tätliche Auseinandersetzungen mit verfeindeten Fans sind für einen Teil der Fans ein Abenteuer und stiften Sinn. Neonazis nutzen die Ultra- und Hooligan-Kultur, weil sie ideologisch leicht an Themen wie Kampf, Sieg, Ehre und Stolz auf den eigenen Verein sowie Konkurrenz und Feindschaft gegenüber anderen Vereinen anknüpfen können. In Brandenburg hat sich die größte rechte Fankultur um den ehemaligen Erstligisten FC Energie Cottbus herausgebildet. Eine der bekanntesten Hooligan-Gruppen ist hier Inferno Cottbus 1999 (IC99). Beim Spiel gegen den Verein Babelsberg 03 kam es im April 2017 wegen gewalttätiger Ausschreitungen zur Spielunterbrechung, im Stadion wurde mehrfach der Hitlergruß gezeigt. Bereits im Januar 2017 fand in der Cottbuser Innenstadt ein unangemeldeter Neonazi-Aufmarsch statt, der dem Umfeld von IC99 zugerechnet wird. Im Mai 2017 erklärte die Gruppe ihre Auflösung, gilt aber weiterhin als aktiv. Gelikt wurde deren noch immer existierende Facebook-Seite von Andy Schöngarth, Kandidat der AfD für die Stadtvertretung von Cottbus. Er sympathisiert zudem mit der Facebook-Seite der Hooligan-Gruppe WK13-Boys, die der neonazistischen Hooligan-Gruppe New Society aus Chemnitz („NS-Boys“) hinterhertrauert und Lieder der Neonazi-Band Endstufe postet. Dies sind nur zwei von viele Seiten aus dem Hooligan-Spektrum, die dem angehenden Kommunalpolitiker gefallen. Darunter auch die Facebook-Seite „ACAB“, die ein Bild zeigt, auf dem ein Polizist per Kopfschuss getötet wird.
Rechte Musik
Musik bietet ebenfalls einen niedrigschwelligen Einstieg in rechte Lebenswelten. Brandenburg verfügt über eine sehr stabile Rechtsrock-Szene mit kontinuierlich 20 bis 25 Bands. Unter den Rechtsrock-Bands befinden sich diverse Gruppen, die in ihren Texten nicht nur rassistische und antisemitische Inhalte verbreiten, sondern eindeutig den Nationalsozialismus verherrlichen. Der Rechtsrock-Band „Nordwind“, die ihren Musikstil selbst als Vikingrock bezeichnet, haben mit Mario Kuczera (Märkisch-Oderland) und Andy Schöngarth gleich zwei AfD-Politiker ihr „Gefällt mir“ gegeben. Schöngarth sympathisiert auch mit „Bloody32“, einem rechtem Rapper aus der Hooligan-Szene von Energie Cottbus, der Anfang dieses Jahres dem Identitären Alex Malenki auf dessen YouTube-Kanal ein Interview gab, und mit dem Liedermacher „AK – Solingen 47“. Letzterer findet auch in einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zu einem Rechtsrock-Konzert in Themar Erwähnung. An die 6.000 Rechtsrock-Fans reisten am 15. Juli 2017 zum „Rock gegen Überfremdung“ in die südthüringische Kleinstadt, bei dem unter anderem der Potsdamer Uwe Menzel als „Uwocaust“ auftrat. Unter den Besucher*innen war auch André Schär, Kandidat der NPD für den Kreistag Potsdam Mittelmark und die Stadtverordnetenversammlung von Bad Belzig. Aus Bad Belzig wiederum kommt die Band „Treueschwur“, die von der Landesregierung ebenfalls als aktive Rechtsrock-Band aufgeführt wird. Proberaumfotos legen nahe, dass André Schär bei dieser Band aktiv war oder ist.
Rechte Modemarken
Obgleich es in Brandenburg mittlerweile diverse rechte Bekleidungsmarken gibt, gilt Thor Steinar aus Mittenwalde nach wie vor als Marktführer. Mit Rainer Küttelwelsch kandidiert der ehemalige Leiter der Rechtsabteilung von Mediatex – dem Unternehmen, das Thor Steinar produziert – für die AfD. Küttelwelsch schrieb auch die „Festfibel“, „Das Buch zur Markenkleidung“, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Michael Stübner, AfD-Kandidat aus Rüdersdorf, „likt“ indes auf Facebook die Seite „Unsterblich II“, die sich nicht nur offensichtlich auf die verbotene Widerstandsbewegung Südbrandenburg bezieht, sondern auch für die Marke ItsH84U-Streetwear („Es ist Hass für dich“) aus Mecklenburg-Vorpommern wirbt. Diese vertreibt Bekleidung mit Aufdrucken wie „Ethnozid am deutschen Volk“ oder „NS-Zone“ und platziert prominent Werbung für die Website „Mord verjährt nicht“– eine Kampagne zu Ehren von Hitlerstellvertreter Rudolf Heß. Stübner sympathisiert darüber hinaus auf Facebook mit der Kampagnen-Seite des neonazistischen „Trauermarsch Bad Nenndorf“.
Rechte Immobilien
Obgleich es viele Rechtsrock-Bands in Brandenburg gibt, finden die meisten Konzerte und Szenepartys außerhalb der Mark statt. Eines der Gelände, das es vor gut zehn Jahren geschafft hatte, sich zu einem rechten Szenetreff zu entwickeln, war der „Bunker 38“ im Spremberger Ortsteil Schwarze Pumpe. Laut Polizeibericht wurden bei einem Einsatz am 12. Aprils 2008 die Personalien von 84 Personen aufgenommen. „Über die Hälfte der festgestellten Personen sind bereits polizeilich in Erscheinung getreten und werden mit rechtsorientierten Delikten in Verbindung gebracht“, hieß es dort. Eigentümer des „Bunker 38“ war Michael Hanko, der in den letzten Jahren als parteiloser Einzelmandatsträger kommunalpolitisch tätig war. Heute will er für die AfD in den Kreistag des Landkreises Spree-Neiße und die Stadtverordnetenversammlung von Spremberg.
Rechte Lebenswelten dienen oftmals als Schnittstelle zur rechten Szene. Die gesellschaftliche Akzeptanz rechter Musik oder rechter Modemarken ist ungleich höher als jene gegenüber organisierten Neonazis. Gerade diese vermeintliche Unverfänglichkeit hilft rechtem Lifestyle dabei, als weniger politisch und damit als weniger verwerflich interpretiert zu werden.