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Spreelichter bleiben verboten
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat das Verbot des Lausitzer Neonazi-Netzwerks Spreelichter heute bestätigt. Das Aktionsbündnis begrüßt das Urteil.
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Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat das Verbot des Lausitzer Neonazi-Netzwerks Spreelichter heute bestätigt. Das Aktionsbündnis begrüßt das Urteil.
„Es ist gut, dass das Verbot Bestand hat“, sagten Ilka Gelhaar-Heider und Frank Vulpius heute zu dem Urteil. Die beiden Vorsitzenden des Aktionsbündnisses begrüßten ausdrücklich, dass das Oberverwaltungsgericht keine Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung verwertete: „Das Gericht hat sein Urteil vor allem auf die von den Spreelichtern verbreitete Ideologie gestützt. Dadurch wird möglichen Nachahmern klar signalisiert, dass organisierte Nazi-Propaganda verboten werden kann“.
In der mündlichen Urteilsbegründung hatte der 1. Senat des OVG den Spreelichtern eine „Wesensverwandschaft mit dem Nationalsozialismus“ attestiert. Besonders in der von der Gruppierung getragenen „Volkstod-Kampagne“ werde deutlich, dass sie die „Rassenlehre“ der NSDAP bejahe und die Beseitigung der Demokratie anstrebe, weil diese mit ihrer Vorstellung einer „Volksgemeinschaft“ unvereinbar sei.
Vereinsverbote auch bei modernen Organisationen
Das Innenministerium hatte die auch als Widerstandsbewegung in Südbrandenburg bezeichnete Organisation im Juni 2012 nach dem Vereinsgesetz verboten. Dagegen hatten mehrere Aktivist_innen der Spreelichter geklagt. Ihr Anwalt, der ehemalige Vorsitzende der verbotenen Wiking-Jugend Wolfram Nahrath, hatte eine Aufhebung des Verbots beantragt, weil es sich bei der Widerstandsbewegung nicht um einen Verein handele, der verboten werden könne. Das ließ das Gericht nicht gelten. Zwar weise die Organisation keine traditionellen Vereinsstrukturen auf, so der Vorsitzende des 1. Senat, dennoch handele es sich um eine „hinreichend homogene, verfestigte Einheit“, die eine „organisierte Willensbildung“ besitze, „arbeitsteilig“ angelegt sei und „auf Dauer“ vorgehe.
Das Gericht bestätigte auch die Zuständigkeit des brandenburgischen Innenministeriums. Schon der Eigenname „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“ zeige, dass es sich um eine lokal im Land Brandenburg tätige Gruppe handele. Nahrath hatte in seiner Klage argumentiert, das Land Brandenburg sei gar nicht zuständig, weil die Spreelichter auch in Sachsen aktiv gewesen seien.
Fackelmärsche gegen den „Volkstod“
Die Neonazis hatten zuletzt vor allem mit nächtlichen Fackelmärschen auf sich aufmerksam gemacht. Bis zu 200 Maskierte zogen bei den heimlich organisierten Aufmärschen durch kleine Ortschaften in Brandenburg und Sachsen und verschwanden, bevor die Polizei eintraf. Anschließend veröffentlichte die Gruppierung im Internet Videos der Aufzüge, die in der rechten Szene bundesweit Popularität genossen.
Ihre nationalsozialistische Überzeugung stellten die Spreelichter auf ihren Webseiten offen zur Schau. Die NPD galt ihnen als „Systempartei“, die am „Schandwerk der Demokraten“ mitwirke. Selbst sehen sich die Spreelichter als „Widerstandskämpfer“ gegen die Demokratie, die beseitigt werden müsse, um „das deutsche Volk“ vor einem nach Ansicht der Gruppierung drohenden „Volkstod“ zu erretten.
Es ist den brandenburgischen Sicherheitsbehörden nicht gelungen, die durch einen US-amerikanischen Anonymisierungsanbieter gesicherte Spreelichter-Webseite abzuschalten. „Wir sind verboten. Na und?“, höhnen die Herausgeber_innen dort bis vor wenigen Tagen. Inzwischen verweist der Domain-Name auf eine neue, im Vorfeld des Gerichtsverfahrens veröffentlichte Webseite des Netzwerks.
Neonazis in der Lausitz weiter aktiv
Mit der Klage gegen das Verbot inszenierte sich die bis dahin selbstsicher auftretende Gruppierung plötzlich als Opfer. In einem Video unter dem Titel „Im Osten nichts Neues“ wird der Eindruck erweckt, junge Menschen, die für Meinungsfreiheit auf die Straße gingen, würden von Stasi-Seilschaften ausgespäht und drangsaliert. Durch Überwachungsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden gewonnene Informationen verwendete das OVG indes gar nicht. Die öffentlichen Äußerungen und die bei Hausdurchsuchungen aufgefundenen Gegenstände seien ausreichend, um ein Verbot zu begründen, so das Gericht.
Die Lausitzer Neonazis sind seit dem Mai dieses Jahres wieder mit neuen Webseiten und Kampagnen, die sich an Kinder und Jugendliche richten und vor allem auf Videoclips setzen, aktiv geworden. Bei den Agitprop-Aktionen mit Parolen gegen die Demokratie, ist die Handschrift des Spreelichter-Netzwerks deutlich erkennbar. Die Polizei ermittelt wegen mehrerer Straftaten. Geprüft werden muss nun wohl auch die Wiederbetätigung einer verbotenen Vereinigung.
Siehe auch: Mitteilungen des Oberverwaltungsgerichts und des Innenministeriums