© Christoph Schulze
Rechtsrock
Seit 1990 hat sich im Land Brandenburg eine Rechtsrockszene entwickelt, die außergewöhnlich viele und einflussreiche Bands mit extrem rechter Ausrichtung hervorgebracht hat.
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Seit 1990 hat sich im Land Brandenburg eine Rechtsrockszene entwickelt, die außergewöhnlich viele und einflussreiche Bands mit extrem rechter Ausrichtung hervorgebracht hat.
Zunächst war Rechtsrock fast deckungsgleich mit der neonazistischen Skinheadszene. Prägende Ereignisse in den Anfangsjahren waren Großkonzerte, die für das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Vernetzung des neonazistischen Milieus wichtig waren. Dazu gehörte ein von schweren Gewalttaten begleiteter Auftritt der britischen Band Skrewdriver zum Jahrestag der deutschen Einheit 1991 bei Cottbus. Ein weiteres, in der rechten Szene legendäres Konzert fand unter dem Motto „Rock against Communism“ im Mai 1992 in Brandenburg an der Havel statt.
Die dienstälteste Band ist die 1992 gegründete Gruppe Frontalkraft aus Cottbus. Mit Bands wie Proissenheads, Burn Down und Aryan Brotherhood ist der Potsdamer Uwe Menzel (Spitzname: „Uwocaust“) ebenfalls seit zweieinhalb Jahrzehnten aktiv.
Rechtsrock ist keine musikalische Gattungsbezeichnung, sondern bezeichnet jede Musik, die im Sinne der extremen Rechten Ideologie ästhetisiert und politische Werbung betreibt. Stilistisch dominiert einfach gespielter Hardrock (oft „RAC“ genannt, für „Rock Against Communism“), aber Rechtsrock hat sich inzwischen ausdifferenziert. Es gibt neben dem klassischen Skinhead-Sound auch Musik anderer Stile. Beispielsweise kommen in Brandenburg entsprechender Hardcore (Burn Down), Metal (Nordreich) oder Rap (Bloody 32) vor.
Brandenburger Bands international aktiv
Die Zahl der Rechtsrockprojekte in Brandenburg ist seit vielen Jahren stabil. Manche Bands lösen sich auf, andere gründen sich. Kontinuierlich sind etwa 20 bis 25 Bands aktiv, hinzu kommen etliche Liedermacher*innen. Auftritte von Brandenburger Bands im In- und Ausland unterstreichen die überregionale Bedeutung einiger der hiesigen Gruppen. Bei einem konspirativ organisierten Konzert im Herbst 2016 in der Schweiz, zu dem 5.000 Neonazis zusammenkamen, stammten mit Frontalkraft, Confident of Victory und Exzess drei der sechs auftretenden Bands aus der Mark.
In Brandenburg finden relativ selten Rechtsrockkonzerte statt. Ein als Konzertstätte etabliertes Grundstück eines Neonazis in Finowfurt hat durch zivilgesellschaftliche Proteste und behördliche Sanktionen an Bedeutung verloren. Wegen niedriger polizeilicher Eingriffschwellen gilt das Bundesland bei einschlägigen Konzertveranstaltern mittlerweile als „schwieriges“ Gebiet. Konzerte können meist nur konspirativ organisiert und in kleinerem Rahmen stattfinden. Recht häufig wird auf Auftrittsmöglichkeiten in Sachsen zurückgegriffen.
Mit Rebel Records in Cottbus und One People One Struggle (OPOS) in Lindenau (Oberlausitz) haben zwei der wichtigsten Rechtsrock-Produktionsfirmen ihren Sitz im Bundesland. Für die Finanzierung, Herstellung und Verbreitung von Rechtsrock spielen solche Firmen eine Schlüsselrolle; sie haben auch eine kommerzielle Bedeutung – mit der Musik und den Fanartikeln lässt sich schließlich Geld verdienen. Die rechtsextreme Kampagnenorganisation Ein Prozent, die der Identitären Bewegung wie auch der AfD nahe steht, vermarktet Brandenburger Rechtsrock-Gruppen wie Sacha Korn, Bloody 32 oder die Band Wutbürger.
Rechtsextreme Lebenswelten
Rechtsrock war über viele Jahre fast ausschließlich ein Ausdrucksmittel für rechte Jugendgruppen. Mit der Musik politisierten sich Cliquen, sie fanden Zugang zu neonazistischen Szenen und politischen Organisationen. Diese Ausstrahlungskraft und Wirkung auf Jugendliche ist weiterhin zu beobachten, hat sich jedoch abgeschwächt. Gleichwohl ist die Szene nicht kleiner geworden. Das Publikum ist im Durchschnitt gealtert, die Strukturen haben sich etabliert und professionalisiert.
Rechtsrock ist nach wie vor ein wichtiges Bindeglied zwischen den politischen Organisationen der extremen Rechten und den kulturellen rechtsextremen Milieus.
Inhaltlich bedient der Rechtsrock das gesamte Repertoire der extremen Rechten. Die Songtexte können beispielsweise rassistische Hetze beinhalten, gegen Linke und die Demokratie gerichtet sein, den Nationalsozialismus verharmlosen und verherrlichen; sie können romantisch-verbrämt von Wikingern und Germanentum handeln, die Schönheit der Heimat besingen oder dem Lebensgefühl als Teil des „Nationalen Widerstands“ oder als Angehöriger einer Jugendkultur Ausdruck verleihen.
Manche Untergrundproduktionen reproduzieren originalgetreu Feindbilder und Symbole des historischen Nationalsozialismus oder vertonen Gewaltfantasien. So sangen die White Aryan Rebels im Jahr 2000: „Mit der Lizenz zum Töten ziehen wir dann durch das Land, dann wird alles Kranke erschlagen und niedergebrannt“. An der Produktion des Albums waren V-Leute des Verfassungsschutzes beteiligt. Der Rapper Bloody 32 stellt sich öffentlich selbst als „unpolitisch“, „patriotisch“ und als Fußballfan dar. „Seit über 70 Jahren laufen wir bereits geduckt“, rappte er 2018 im Song „Widerstand“. Offenbar lag also seiner Ansicht nach die letzte Periode deutscher Freiheit im Nationalsozialismus.
Von den Cottbusern Frontalkraft stammt ein regelrechter Klassiker des deutschen Rechtsrock. Im dem Lied „Schwarz ist die Nacht“ besingt die Cottbuser Band die „Reichsfarben“ Schwarz-Weiß-Rot: „Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen, weiß sind die Männer, die für Deutschland siegen, rot ist das Blut auf dem Asphalt“.
Die meisten Bands setzen auf Legalität, um einen offenen Vertrieb und somit eine höhere Verbreitung gewährleisten zu können. Oft werden die Texte vor Veröffentlichung von Szeneanwälten auf Unbedenklichkeit geprüft. Teilweise werden die Brandenburger Rechtsrockproduktionen dennoch von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert. Nach einer Indizierung ist die Werbung für Lieder und Tonträger verboten, und sie dürfen Jugendlichen nicht zugänglich gemacht werden.