Grundsätzlich ist jeder Klasse ab der Klassenstufe 9 ein Besuch einer Gedenkstätte zu empfehlen. Eine gelungene Fahrt in eine Gedenkstätte trägt meist mehr als der gewöhnliche Unterricht zur Bildung historischen Bewusstseins bei. Mit einem Gedenkstättenbesuch können anschaulich Wissen vermittelt und Wege für entdeckendes Lernen und eigenständiges Forschen eröffnet werden, so dass Schüler*innen selbstständig Erkenntnisse entwickeln können. Dazu kommt, dass eine emotionale Beziehung zum historischen Ort und Geschehen die Entwicklung demokratischer Werte nachhaltig prägen kann.
Besser als eine klassische Führung ist hierfür ein Projekttag geeignet, der vier bis sechs Stunden Aufenthalt in der Gedenkstätte erfordert. Es bietet sich an, dafür mit Gedenkstättenlehrkräften zusammenzuarbeiten, die auf die Schülergruppe zugeschnittene Angebote vorbereiten und Sie bei dem Projekttag vor Ort begleiten können.
Mehrtägige Fahrten, etwa der Besuch der Gedenkstätte in Auschwitz oder der Internationalen Jugendbegegnungsstätten Ravensbrück oder Sachsenhausen, sind in der Regel noch wirksamer, erfordern jedoch einen höheren organisatorischen wie finanziellen Aufwand und werden daher hier nicht behandelt.
1. Bezug zum Rahmenlehrplan
- Gedenkstättenfahrten lassen sich gut in den laufenden Unterricht integrieren. Sie bieten Anknüpfungspunkte im Fach Geschichte, in allen gesellschaftswissenschaftlichen Fächern sowie in Kunst, Deutsch und Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde.
- Planen Sie die Gedenkstättenfahrt sorgfältig und langfristig in den laufenden Unterricht ein. Die Fahrt sollte nicht der Einstieg in das Thema Nationalsozialismus sein, da die Schüler*innen für das Projekt unbedingt bereits über historisches Wissen zu dieser Zeit verfügen sollten. Eine unterrichtsbezogene Planung lässt sich ab Klasse 9 gut realisieren.
- Der Besuch außerschulischer Lernorte wird vom Rahmenlehrplan für Berlin und Brandenburg, Teil C Geschichte (S. 22/23), gefordert: „Eine Einbeziehung von außerschulischen Lernorten in Berlin und Brandenburg (z. B. Denkmäler, Gedenkorte, Gedenkstätten und Museen) sowie von Zeitzeug*innen vertieft das historische Verstehen sinnvoll. In jeder Doppeljahrgangsstufe werden mindestens zwei außerschulische Lernorte besucht.“ (siehe auch: Bildungsserver) Ebenso geht der Rahmenlehrplan davon aus, dass die historische Projektarbeit „die Wirksamkeit individuellen Lernens unterstützt.“
- Ein Basismodul für die Doppeljahrgangsstufe 9/10 (siehe S. 31 oder Bildungsserver) ist das Themenfeld „Demokratie und Diktatur“, in dem die Schüler*innen sich am historischen Beispiel des Nationalsozialismus kategoriales Wissen über die Herrschaftsform der Diktatur aneignen. Es besteht z. B. die Möglichkeit, über die Arbeit mit Biografien der in den nationalsozialistischen Lagern Gefangenen und Ermordeten das Themenfeld zu erschließen. Ausdrücklich nennt der Rahmenlernplan hier die Themen: „Ideologie und Herrschaft des NS“ und „Zweiter Weltkrieg und Holocaust/Völkermord/Mord (Täter; Opfergruppen: Juden, Sinti und Roma, Behinderte, Homosexuelle, politischer Widerstand u. a.)“.
2. Information über Gedenkstätten
- Folgenden Seiten bieten weitere Informationen zu Brandenburger Gedenkstätten:
- Informieren Sie sich umfassend, wenn möglich persönlich vor Ort, über die Gedenkstätte. Beachten Sie, dass in den letzten Jahren viele Ausstellungen pädagogisch modernisiert wurden. Nutzen Sie auch die speziellen Fortbildungsangebote der Gedenkstätten für Lehrer*innen.
- Nehmen Sie frühzeitig Kontakt mit der Gedenkstätte auf und besprechen Sie die konkreten gedenkstättenpädagogischen Angebote, die inhaltlichen Vorbereitungen sowie Termine für den Gedenkstättenbesuch. Fragen Sie nach Projektmaterialien, die mit Quellen und Aufgaben bei der inhaltlichen Vorbereitung des Gedenkstättenbesuches helfen können. Angebote für Schulklassen unterbreiten in Brandenburg die Gedenkstättenlehrer*innen. Eine Liste mit Kontaktangaben finden Sie auf dem Bildungsserver Berlin-Brandenburg
- Wenn Sie in Ihrer Schülergruppe rechts orientierte Jugendliche haben oder vermuten, verständigen Sie sich mit den Mitarbeiter*innen über einen angemessenen Umgang. Überschätzen Sie aber nicht die erzieherische Funktion des Gedenkstättenbesuches.
3. Pädagogisches Konzept
Erstellen Sie für sich stichpunktartig ein pädagogisches Konzept für den Gedenkstättenbesuch mit folgenden Schwerpunkten:
- Bezug zu Rahmenlehrplänen und zum Schulcurriculum
- Verbindungen zum Schulprogramm, zu Projekten oder zu besonderen Anlässen
- Altersspezifischer thematischer Zugang
- Fachbezogene Kompetenzen der Schüler*innen
- Didaktische Zielstellungen für die jeweiligen Phasen
- Vorbereitungen im Unterricht
- Organisatorischer und methodischer Ablaufplan des Besuchs
- Nachbereitung und Dokumentation des Besuchs
4. Finanzierung
- Sollten Sie für die Gedenkstättenfahrt Fördermittel benötigen, können Sie sich auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung in diesem Dossier über Fördermöglichkeiten einen Überblick verschaffen.
- Bei der Planung mit Schulklassen in Brandenburg sollten Sie bedenken, dass Förderung in der Regel nur für Gedenkstättenfahrten nach Polen angeboten wird. Informationen über die Fördermöglichkeiten des Bildungsministeriums finden Sie auf dem Bildungsserver
5. Vorbereitung mit den Schüler*innen
Bereiten Sie den Gedenkstättenbesuch im Unterricht gemeinsam mit den Schüler*innen vor.
- Ermitteln Sie die Erwartungshaltungen. Klären oder wiederholen Sie dabei den historischen Kontext und erarbeiten Sie gemeinsam mögliche Leitfragen und Themen.
- Bedenken Sie, dass Gedenkstättenbesuche emotional überfordern können. Mögliche Reaktions- und Rückzugsmöglichkeiten sollten Sie den Jugendlichen vorbereitend aufzeigen.
- Besprechen Sie Aspekte eines angemessenen und respektvollen Auftretens, problematisieren Sie dabei auch die Punkte Kleidung, Essen und Fotografieren. Entwickeln Sie eventuell gemeinsam mit den Schüler*innen Regeln für den Aufenthalt in der Gedenkstätte.
- Weisen Sie darauf hin, dass rechtsextreme Äußerungen und Handlungen nicht geduldet werden und grundsätzlich Anzeige erstattet wird.
6. Aufenthalt in der Gedenkstätte
Räumen Sie den Mitarbeiter*innen der Gedenkstätte Priorität bei der Arbeit mit der Schülergruppe ein. Halten Sie sich zurück und greifen Sie nur bei ernsthaften Problemen ein. In der Regel sind die Mitarbeiter*innen darin geschult, angemessen auf Störungen zu reagieren.
7. Nachbereitung
Die Nachbereitung sollte direkt nach dem Gedenkstättenbesuch stattfinden. Wenn umsetzbar, räumen Sie den Schüler*innen bereits vor Ort eine unverbindliche Gesprächsmöglichkeit ein. Je nach Verlauf der Fahrt bieten sich unterschiedliche Methoden zur unmittelbaren Nachbereitung an:
- Offener Gesprächskreis, in dem die Schüler*innen ihre Eindrücke schildern können
- Gruppenpuzzle, bei dem im zeitlichen Wechsel ein Austausch über Eindrücke und Fragestellungen an verschiedenen Tischen erfolgt
- Kartenabfrage zu beispielsweise folgenden Fragen: „Über welchen Eindruck möchte ich gern reden?“, „Welche meiner Erwartungen haben sich erfüllt?“, „Welche meiner Erwartungen haben sich nicht erfüllt?“ und „Worüber würde ich Freund*innen berichten?“
Der Gedenkstättenbesuch kann den Ausgangspunkt für vertiefende Projekte oder Facharbeiten bilden. Diese sollten möglichst individuell konzipiert werden und den thematischen Zugang einzelner Schüler*innen oder Schüler*innengruppen beachten.