Aktionsbündnis Brandenburg
Demonstrationskultur muss wachsen
2013 ist der Versuch gescheitert, ein Grundstück in Finowfurt (Barnim) zu einem zentralen Konzertort der rechten Szene auszubauen.
Aktionsbündnis Brandenburg
2013 ist der Versuch gescheitert, ein Grundstück in Finowfurt (Barnim) zu einem zentralen Konzertort der rechten Szene auszubauen.
Neun Konzerte waren auf dem direkt an der Autobahn, abseits des Ortskerns gelegenen Waldgrundstück von Sybille Mann im Jahr 2013 geplant. Drei davon wurden abgesagt und eines verboten. Fünf Veranstaltungen fanden statt. Dabei stellte die Polizei 23 Straftaten fest – darunter acht Verstöße gegen das Waffengesetz, sechs Mal Volksverhetzung sowie vier Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz. Das geht aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der bündnisgrünen Landtagsfraktion hervor.
Bereits seit sechs Jahren finden in der Schorfheide Nazi-Konzerte statt. Auch die NPD nutzt das Gelände, zuletzt 2012 für ihren sogenannten Preußentag, zu dem etwa 600 Gäste anreisten. Im Vergleich zu den Vorjahren gab es 2013 mehr Veranstaltungen, die als Konzerte bei der Gemeinde angemeldet wurden.
Die Rechte-Landesverband Brandenburg
Den Auftakt machte Klaus Mann am 13. April des Jahres mit einer Feier anlässlich der Gründung des brandenburgischen Ablegers der Partei Die Rechte. Mann, der viele Jahre der inzwischen in der NPD aufgegangenen Deutschen Volksunion (DVU) angehörte, war bei der Gründungsversammlung des Landesverbands von Die Rechte im Januar 2013 in Biesenthal zum Vorsitzenden gewählt worden. Er versuchte, den Konzertcharakter gegenüber der Gemeinde Schorfheide zu verheimlichen.
Das schlug fehl, weil die mit der Beeskower Nazi-Band „Frontfeuer“ verbandelte „Terrorcrew Kameradschaft Kommando Werwolf“ (KSKW) aus Frankfurt (Oder) über Facebook am selben Tag am selben Ort zu einem Solidaritätskonzert aufrief. Die KSKW befand sich im Frühjahr auf der Suche nach einem neuen Veranstaltungsort. Dem sogenannten „Sturmladen“ in Frankfurt (Oder), in dem mehrere Nazi-Konzerte veranstaltet worden waren, war kurz zuvor gekündigt worden.
Da die Bands am 13. April für „einen guten Zweck“ spielen sollten, kann man davon ausgehen, dass Eintritt bezahlt oder gespendet werden musste. Bei nur 75 Konzertbesucher/innen ist das allerdings kaum von Bedeutung. Die Polizei hatte das Gelände abgesperrt und Personenkontrollen durchgeführt.
Schärfere Auflagen
Ebenfalls im April tauchte bei Facebook die Ankündigung auf, dass am Pfingstsamstag ein Benefizkonzert in Finowfurt stattfinden sollte. 13 Rechtsrock-Bands sollten erneut für einen guten Zweck unter dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ spielen. Organisiert wurde das Konzert von den einschlägig bekannten Berliner Neonazis Gesine H. und Peter K. Karten gab es nur im Vorverkauf. Wer teilnehmen wollte, musste 30 Euro bezahlen. Als „guten Zweck“ nannte Gesine H. die Unterstützung von „Kameraden in Not“. Wohin die Eintrittsgelder flossen, wurde nicht bekannt.
Das lokale Bündnis Bunte Schorfheide rief gemeinsam mit dem Bündnis Finowfurt Nazifrei zu einer Demonstration auf. Ein Demonstrationszug mit etwa 1.000 Teilnehmer/innen war in der Gemeinde etwas Neues. Viele der Demonstrant/innen kamen auch aus umliegenden Gemeinden und aus der benachbarten Kreisstadt Eberswalde. Bürgermeister Uwe Schoknecht (parteilos) nahm für seine Gemeinde Lehrzeit in Anspruch: „Wir sind nicht im Wendland, wo man Demonstrationen seit 40 Jahren kennt. Bei uns in der Schorfheide muss die Demonstrationskultur erst wachsen!“
Die Gemeinde und der Kreis rückten den rechtsextremen Veranstalter/innen mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen zu Leibe. So wurde ein großer Garagenkomplex auf dem Gelände wegen baulicher Mängel für Auftritte gesperrt. Eine in der Halle ohne Baugenehmigung errichtete Bühne musste wieder abgerissen werden. Die Anzahl der Besucher/innen, die sich während einer Veranstaltung auf dem Gelände aufhalten dürfen, wurde durch Auflage auf 1.000 Personen begrenzt. Verfügt wurde auch, dass die Lautstärke um das Grundstück herum 55 Dezibel nicht überschreiten dürfe. Die Einhaltung dieser Auflage mussten die Veranstalter/innen ständig durch Lärmmessungen nachweisen. Um 22:00 Uhr waren die Nazis laut Bescheid verpflichtet, selbst den Stecker zu ziehen.
In den Jahren zuvor war der Umgang der Gemeinde mit den Veranstaltungen auf dem Gelände der Manns in der Straße „In den Sandstücken“ eher defensiv. 2013 jedoch gab es vor jeder geplanten Veranstaltung eine gemeinsame Erörterung mit der Polizei. Es gelang dem Ordnungsamt, sowohl die Konzertauflagen als auch ein Konzertverbot rechtssicher zu formulieren. Es gab Gesprächsrunden beim Landrat, mit Ministerien und dem Verfassungsschutz. Als Konsequenz wurde unter Federführung der Koordinierungsstelle Tolerantes Brandenburg im Oktober eine ressortübergreifende Arbeitsgemeinschaft gegründet, die „eine generelle Handlungsempfehlung zum Umgang mit extremistischen Szeneobjekten … erarbeiten“ soll.
Hoffnungsvoller Protest
Bei den Proteste im Mai 2013 wurde eine Autobahnausfahrt und eine Radfahrerbrücke blockiert. Die Demonstration und die Deeskalationsstrategie der Polizei zwangen die anreisenden Konzertbesucher/innen aus der rechten Szene zu großen Umwegen. 650 von ihnen durchliefen letztendlich die Polizeikontrollen vor dem Grundstück. Viele erreichten das Gelände erst gegen 15:00 Uhr. Da waren bereits zwei Nazi-Bands der Bühne verwiesen, weil sie indizierte Lieder gespielt hatten.
Auch wenn die rechtsextremen Veranstalter/innen mehrmals Klagen gegen die Auflagen ankündigten, ließ erstmals Klaus Mann Ende Juni 2013 die Auflagen der Gemeinde für das Sommerfest von „Die Rechte“ prüfen. Wahrscheinlich waren ihm die ständigen Lärmmessungen zu kostspielig. Das Ende der Veranstaltungen um 22 Uhr ärgerte ihn sicher auch. Er scheiterte jedoch vor dem Oberverwaltungsgericht: Die Maßnahmen der Versammlungsbehörde waren rechtmäßig.
Die rechtsextreme Szene versuchte, auf die behördlichen Auflagen und demokratischen Proteste mit einer Doppelstrategie zu reagieren. So fuhren die Märkischen Skinheads 88 aus Velten bei ihren Vorbereitungen für ein „Konzert und Sportfest“ am 27. Juli zweigleisig. Der NPDler Robert W. meldete sowohl in Finowfurt als auch in dem zu Pasewalk gehörenden Ortsteil Viereck in Mecklenburg-Vorpommern ein „Freiluftkonzert“ an. Im August 2012 hatte dort das Pressefest der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ stattgefunden.
Die Strategie scheiterte. Die lokalen zivilgesellschaftlichen Bündnisse sprachen ihr Vorgehen ab und vereinbarten, gemeinsam zu protestieren – ob nun in Viereck oder Finowfurt. Letztendlich fanden Konzert und Sportfest in der Schorfheide statt. Mit Unterstützung vom Aktionsbündnis Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt fand eine kleine Demonstration statt. Der Gemeinderat von Schorfheide hatte zudem einstimmig beschlossen, sich der „Pasewalker Erklärung“ der Bürgermeister von Pasewalk, Schwedt, Prenzlau und Templin anzuschließen. Mit ihr wird dazu aufgerufen, Nazis in jedem Dorf, in jeder Stadt, in jeder Gemeinde die Stirn zu bieten.
Erfolgreiches Verbot
Bis dahin war das Konzertjahr für die Familie Mann trotz allem noch recht erfolgreich verlaufen. Bei dem Konzert der Bands Kategorie C – Hungrige Wölfe und Pitbullfarm am 17. August, dem Todestag des Hitlerstellvertreters Rudolf Heß, kam es zu ersten größeren Problemen. Das unter den bekannten Auflagen genehmigte Konzert wurde vom Veranstalter zunächst auf den 28. September verlegt. Dann wurde es von der Gemeinde Schorfheide am 25. September verboten. Die Veranstalter/innen beantragten, das Verbot per einstweiliger Verfügung aufzuheben, scheiterten damit aber vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. In ihrer Verbotsverfügung hatte die Gemeinde argumentiert, dass von den Konzertbesuchern eine konkrete Gefahr von Gewalteskalationen und Straftaten wie Volksverhetzung ausgehe.
Auf ihrer Webseite begründete Kategorie C – Hungrige Wölfe die Absage mit den Auflagen, die unter anderem ein Ende der Veranstaltung um 22.00 Uhr beinhalteten. Der Konzertbeginn war auf 21:30 Uhr festgelegt worden; in diesem Fall wären dann nur 30 Minuten für den Auftritt geblieben.
Die siebte Jahresfeier, der eigentlich gar nicht mehr existenten Kameradschaft Märkisch Oder Barnim (KMOB), war die letzte größere Musikveranstaltung auf dem Mann-Gelände. 120 Besucher/innen wurden, wie fast jedes Mal, im September 2013 vorzeitig vom Hof geschickt. Erneut war das Singen indizierter Lieder Grund für die Auflösung der Veranstaltung durch die Polizei. Die war bei allen Konzertveranstaltungen deutlich präsent und schritt bei Rechtsverstößen konsequent ein.
Noch mehr Auflagen
In der Folge begannen rechtsextreme Konzertveranstalter/innen das Gelände in Finowfurt zu meiden. Die Auflagen, Kontrollen und Proteste stellten zu viele Unwägbarkeiten dar. So beschwerte sich Patrick Sch., Herausgeber des neonazistischen Videoblogs FSN-TV, Finowfurt sei „eine Openairveranstaltung, die knallhart vom Staat bekämpft“ werde. Der NPD-Mann hatte nach einem Besuch in Finowfurt ein „Live Hate“ genanntes Festival in eine oberpfälzische Discothek verlegt. 1.000 Gäste kamen.
Die erste Absage einer Veranstaltung in Finowfurt kam von Klaus Mann selbst. Er ließ den 4. Preußentag der Brandenburger NPD, der Mitte Oktober stattfinden sollte, kurzfristig platzen. Das für November vorgesehen „Fireblade Force Festival“ mit einigen NS-Black Metal Bands wurde vom Veranstalter Björn E. nach Leipzig verlegt. Ihm waren wohl die Kosten für den Lärmschutz in Finowfurt zu hoch. Zudem hatte die Gemeinde nach einer Risikobewertung eine Bereitstellung von Sanitäter/innen und Krankenwagen verlangt. Sie stützte dies auf das sogenannte Maurer-Schema, einem anerkannten Verfahren zur Prognose von bei Großveranstaltungen zu erwartenden Gefahren. In Leipzig kam das Festival jedoch nie an. Der Veranstalter behauptete, er sei von der sächsischen Polizei massiv unter Druck gesetzt worden.
Aus Frankfurt (Oder) war von der Kameradschaft Kommando Werwolf zu hören, man habe keinen Bock mehr auf die ständigen Kontrollen durch die Polizei. Ein ursprünglich für Finowfurt angedachtes „Solidaritätskonzert für politische Gefangene“ fand am 9. November, dem 75. Jahrestag der Reichspogromnacht, in Söllingen bei Karlsruhe statt.
Peter Huth