Aktionsbündnis Brandenburg
Menschen Mut machen
Thomas Wisch, der neu gewählte Aktionsbündnis-Vorsitzende, über seine Erfahrungen und Ideen in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus
Aktionsbündnis Brandenburg
Thomas Wisch, der neu gewählte Aktionsbündnis-Vorsitzende, über seine Erfahrungen und Ideen in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus
Herr Wisch, Sie wurden am Montag von den Mitgliedern des Aktionsbündnisses Brandenburg zum Vorstandsvorsitzenden gewählt. Wie kam es zu Ihrer Kandidatur?
Ich wurde von meiner Vorgängerin, der Generalsuperintendentin Heilgard Asmus, gefragt, ob ich antreten wolle. Sie wusste, dass ich Erfahrungen von meiner vorherigen Pfarrstelle in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus mitbringe.
Sie kommen aus Sachsen-Anhalt.
Ja, aus Hohenmölsen. 2010 wurde dort, für die Stadt völlig überraschend, der Vereinigungsparteitag der NPD und der DVU veranstaltet. Wir, die demokratischen Kräfte im Ort, haben mit einer Veranstaltung auf dem Marktplatz gezeigt, dass die NPD bei uns nicht willkommen ist. Das war ein gelungenes Achtungszeichen. Aber ein Kirchenältester unserer Gemeinde, der auch Ortsbürgermeister war, hatte die Idee, zu diesem Parteitag hinzugehen. Er schrieb danach einen Offenen Brief mit dem Tenor, das sei alles nicht so schlimm bei der NPD … Da mussten wir als Kirche reagieren. Ich habe mit ihm gesprochen, ich hab ihm gesagt, dass das nicht vereinbar ist mit dem Evangelium. Wir haben ihm dann das kirchliche Ältestenamt entzogen.
Wie waren die Reaktionen?
Es gab Zustimmung, es gab aber auch völliges Unverständnis: Der hat sich doch immer für die Kirche eingesetzt und sich gekümmert um die Leute vor Ort, wie könnt ihr jetzt so gegen ihn vorgehen, nur weil er politisch anders denkt … Es war unwahrscheinlich schwer, darüber in den Gemeinden zu reden, auch weil die Leute gesagt haben, die NPD ist nicht verboten. Trotzdem hat die Meinungsfreiheit eine Grenze, weil die Würde des Menschen nicht verletzt werden darf. Das müssen wir als Kirche und alle demokratischen Kräfte deutlich machen.
Was für Schlüsse haben Sie aus diesen Diskussionen gezogen?
Mir ist klar geworden, wie tief verwurzelt dieses rassistische Gedankengut ist. Wir, die Mitarbeiter im Pfarrbereich, haben in den Gemeinden versucht, für dieses Thema zu sensibilisieren, auch in der Kinder- und Jugendarbeit, die mir besonders am Herzen liegt. Man hört förmlich die Eltern sprechen aus den Mündern der Kinder! Dem muss etwas entgegengesetzt werden. Wenn die Kinder nichts anderes hören und erfahren, ist das gefährlich.
Haben Sie auch in Brandenburg persönliche Begegnungen mit Rechtsextremen gehabt oder erfahren Sie davon eher aus den Medien?
Nicht direkt. Aber ich nehme wahr, dass die Rechtsextremen präsent sind. Bei einem unserer ersten Spaziergänge durch Lehnin sah ich gleich ein Auto mit rechtsextremen Aufklebern. Dann gab es hier vor dem 8. Mai nachts einen Aufmarsch. Ich konnte das erst nicht einordnen, wir hörten nur die lauten Stimmen, dann war das vorbei, wie ein Spuk, bevor die Polizei kam. Danach haben wir erfahren, dass es eine Aktion von Nachahmern der Spreelichter war. Also, ich bin schon wieder mittendrin …
Wie ist ihr Eindruck von dem Engagement gegen rechts im Land?
Ich habe schon einiges kennenlernen dürfen und bin erfreut über die vielen Initiativen. Darum fiel es mir nicht schwer, mich für das Amt zur Verfügung zu stellen. Es ist wirklich ein Gewinn, dass es das Aktionsbündnis gibt. Das ist ein starkes Netzwerk, in dem demokratisches Engagement unterstützt wird. Vielleicht können wir neue Wege finden, wie die Initiativen, Vereine noch besser miteinander ins Gespräch kommen? Auf dem Plenum habe ich diese Gedanken gehört. Dazu will ich gern beitragen.
Was haben Sie sich noch vorgenommen als Vorstandsvorsitzender des Aktionsbündnisses?
Wichtig ist mir, dass wir Menschen Mut machen, auf Flüchtlinge, die jetzt nach Brandenburg kommen, zuzugehen und ihnen zu sagen: Wir wollen mit euch zusammen leben. Das müssen die Menschen vor Ort natürlich selbst tun, aber wenn wir als Aktionsbündnis das befördern könnten, würde ich mich schon freuen, gerade angesichts dieser unsäglichen „Nein zum Heim“-Seiten im Internet! Es geht auch darum zuzuhören, wie es den Menschen geht, wenn sie hier nach Deutschland kommen, wenn sie Opfer von Rassismus werden. Ich glaube, dass diese Kommunikation hilft, Ängste abzubauen.
Wie blicken Sie auf die drei Wahlen, die in diesem Jahr bevorstehen?
Es ist ein guter Ansatz, vor allem die jungen Wählerinnen und Wähler aufzuklären, auch in den Schulen, damit sie den Rechtsextremen Paroli bieten können. Das Aktionsbündnis hat dazu unter dem Motto „Schöner leben ohne Nazis“ schon einiges vorbereitet. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gut gelingen wird.
Wie sehen Sie es, dass Jugendliche ab 16 Jahren bei den Kommunalwahlen und der Landtagswahl wählen können?
Das ist toll! Das kann das Bewusstsein für unsere Demokratie stärken. Aber wir müssen Jugendliche auch demokratisch bilden, damit sie mündig werden und gut entscheiden können. Dass die Parteien jetzt auch während des Wahlkampfs in Schulen eingeladen werden können, das finde ich deshalb richtig …
Auch wenn die NPD versuchen könnte, das auszunutzen?
Ja, sicher, das ist ein Drahtseilakt. Man muss deutlich machen, dass die Würde aller Menschen gleich ist und nicht in Frage gestellt werden darf. Aber wir brauchen die Auseinandersetzung nicht zu scheuen. Ich hoffe, dass es der richtige Weg ist, Jugendliche stark zu machen, damit sie mit ihren eigenen Ideen rechtsextremen Äußerungen entgegen treten.
Thomas Wisch ist Superintendent des Kirchenkreises Mittelmark-Brandenburg der Evangelischen Kirche. Der 49-jährige Theologe aus Lehnin (Potsdam-Mittelmark) ist verheiratet und hat vier Kinder. Er wuchs in Thüringen auf und arbeitete als Bergmann und Bergbauingenieur, bevor er in Berlin Theologie studierte. Die Fragen stellte Jonas Frykman.