Der ehemalige V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes ist auf Antrag von Opferanwältinnen und -anwälten für den 4. November in dem NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München als Zeuge geladen. Die brandenburgischen Behörden wollen nur eine Video-Vernehmung gestatten.
Frau von der Behrens, was versprechen Sie sich von der Befragung?
Wir haben zwei große Leerstellen, zu denen wir uns von Carsten Sz. Auskunft erhoffen. Das ist zum einen die Frage: Wie ist der NSU an seine vielen Schusswaffen gekommen? Die andere Frage ist, wie eng die Verzahnung des Trios mit Blood & Honour in Chemnitz war. Da gibt es eine relativ feste Gruppe, in die Carsten Sz. eingebunden war. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis arbeitete er in einem Szene-Laden in Chemnitz, deren Betreiber zu dieser Blood & Honour-Gruppe gehörten. Viele Erkenntnisse deuten auf eine Einbindung des NSU in diese Struktur hin. Aber die Zeugen, die etwas dazu sagen könnten, mauern bisher.
Und was könnte „Piatto“ über die zahlreichen Waffen des NSU wissen?
Es gibt mehrere V-Mann-Meldungen von Carsten Sz. aus dem Zeitraum August und September 1998, dass Jan W., einer der Protagonisten von Blood & Honour in Sachsen, vom Trio den Auftrag erhalten habe, Waffen zu besorgen. Ob Sz. selbst in die Waffenbeschaffung involviert war, ist unklar. Jan W. und Carsten Sz. beschuldigen sich gegenseitig, für die Waffenbeschaffung zuständig gewesen zu sein. Auch brachte Carsten Sz. das Trio in Verbindung mit Überfällen. Nur rund drei Monate nach diesen Meldungen von Sz. an seine Brandenburger V-Mann-Führer beging der NSU den ersten uns bekannten Überfall. Ein Edeka-Markt in Chemnitz wurde ausgeraubt und dabei wurde auf einen Sechzehnjährigen geschossen, der die Täter verfolgte. Möglicherweise hatte der NSU diese Waffen von Jan W. erhalten.
Wie glaubwürdig sind V-Leute als Zeugen überhaupt?
An den Angaben der V-Leute, die wir bisher gehört haben, haben wir Zweifel, und zwar deshalb, weil sie durch die Bank nicht das bestätigen wollten, was sie gegenüber den Behörden damals ausgesagt haben, als sie noch V-Leute waren. Das wird geleugnet oder sie können sich angeblich nicht mehr erinnern, was damals vorgefallen ist.
Die brandenburgischen Behörden fürchten um die Sicherheit von Sz. und wollen ihn nur per Video vernehmen lassen. Was bedeutet das für die Zeugenbefragung?
Es geht nicht nur um eine Befragung per Video, sein Äußeres soll auch verändert und vor allem seine Stimme verfremdet werden. Dadurch kriegt man, abgesehen von dem gesprochenen Wort, keinen Eindruck von dem Zeugen und seinen Reaktionen, man kann also kaum einschätzen, wie glaubwürdig er wirkt. Es ist schon in der direkten Befragung schwer genug, die Neonazi-Zeugen, ob V-Leute oder nicht, dazu zu bringen, uns zu sagen, was sie wissen. Das wird noch sehr viel schwieriger, wenn ein Zeuge total abgeschirmt ist.
Können Sie denn die Bedenken der Sicherheitsbehörden gegen eine offene Befragung nachvollziehen?
Es gibt im NSU-Komplex eine Vielzahl enttarnter V-Leute und wir wissen in keinem Fall davon, dass es Übergriffe gegen diese Personen gegeben hätte, selbst bei dem V-Mann Tino Brandt nicht. Von daher kann man das nur schwer nachvollziehen, es sei denn die Behörden würden über Informationen verfügen, die wir nicht kennen.
Das Innenministerium verweist darauf, dass Szczepanski im Unterschied zu anderen ehemaligen V-Leuten in einem Zeugenschutzprogramm sei.
Das Anliegen, den Zeugen zu schützen, ist verständlich. Das ist möglich, ohne dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden muss und wir ihn nicht direkt befragen können. Es gibt einen separaten Eingang, es dürfen keine Fotos von ihm gemacht werden, er muss nicht sagen, wie er heute heißt oder wo er lebt. Der Angeklagte Carsten S. ist ja ebenfalls im Zeugenschutz, und, so weit wir wissen, ist das seit über 150 Prozesstagen erfolgreich. Hier geht es nur um eine einmalige Befragung, da sollte dieser Schutz doch ausreichend sein.
Vielen Dank für das Gespräch.