© Christoph Schulze
Rechte Fußballfanszenen
Extrem rechte Fußballfans organisieren sich in Hooligan- und Ultragruppen, tragen Rassismus und Neonazismus in die Stadien und rekrutieren dort ihre Anhängerschaft.
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Extrem rechte Fußballfans organisieren sich in Hooligan- und Ultragruppen, tragen Rassismus und Neonazismus in die Stadien und rekrutieren dort ihre Anhängerschaft.
Vor allem in den unteren Ligen nutzen Neonazis das Stadion, um ihre Ideologie zu verbreiten – auch im Land Brandenburg. Beim FC Stahl Brandenburg war in den 1990er-Jahren eine gewaltbereite Fanszene aktiv, unter ihnen vor allem Neonazis aus der Stadt Brandenburg und dem Havelland. In Rathenow spielten Neonazis ab 2004 mit dem eigenen Verein Sportvolk in der Zweiten Stadtliga, bis dem Klub 2006 die Spielerlaubnis entzogen wurde. Der TuS 1896 Sachsenhausen geriet 2013 in die Schlagzeilen: Bei einem Pokalspiel gegen den SV Babelsberg 03, dessen Fanszene links ist, zeigten Anhänger*innen des Sechstligisten ein Transparent mit der Aufschrift „Gas geben Sachsenhausen“ – eine Anspielung auf das Konzentrationslager in dem Oranienburger Stadtteil. Auch Fans des Frankfurter FC Viktoria 91, die sich Vorwärts Frankfurt nannten, fielen über Jahre durch extrem rechte Aktivitäten auf. Zuletzt versuchten diese Fans 2012, das Hoffest eines Wohnprojekts in der Oderstadt zu überfallen. Nachdem sich der Verein im selben Jahr umstrukturierte, wurde es um die Frankfurter Hooliganszene ruhiger.
Bei dem ehemaligen Erstligisten FC Energie Cottbus hat sich die größte rechte Fankultur im Land entwickelt. Hier gibt es mehreren gewaltbereiten Gruppen, die bekannteste ist Inferno Cottbus 1999 (IC99). Hinzu kommen Gruppen wie Collettivo Bianco Rosso 2002 (CBR’02) mit ihrer Jugendorganisation Frontside Cottbus 2006 (FSC’06) und die WK13-Boys. CBR’02 besteht seit 2002, die neonazistischen Ultragruppe mit etwa 50 Mitgliedern stellt seit 2016 den „Capo“, den Vorsänger für die Fans im Stadion. 2017 feierte CBR’02 ihr 15-jähriges Bestehen mit einem Auftritt der bekannten Neonazi-Band Frontalkraft. Die etwa 20 Mitglieder von FSC‘06 schlossen sich 2009 CBR’02 an. Die WK13-Boys sind ein seit etwa 2008 aktiver Zusammenschluss von etwa zehn Hooligans.
Cottbus: Schwerpunkt rechter Hooligans und Ultras
Im Stadion machen diese Fangruppen immer wieder mit diskriminierenden Banneraktionen, Symbolen und Gesängen auf sich aufmerksam, stürmen vermummt das Spielfeld und greifen gegnerische Fans an, sowohl im Stadion wie auch im Vorfeld und im Nachgang von Spielen. Dabei tut sich besonders die 1999 gegründete Hooligan-Gruppe IC99 hervor, die eine Vormachtstellung in der Fanszene innehat. Ihr sollen schätzungsweise 70 bis 80 ausschließlich männliche Mitglieder angehören. Als ein Kopf der Gruppe gilt der Neonazi William Puder, der als ehemaliger „Capo“ im Stadion Ansehen genießt. IC99 ist die 2014 gegründete Jugendorganisation Unbequeme Jugend Cottbus (UJC) mit etwa 20 Mitgliedern unterstellt.
Im Mai 2017 erklärte IC99 ihre Auflösung, möglicherweise um einem drohenden Verbot zuvor zu kommen. Die Gruppe ist jedoch weiterhin aktiv. UJC wurde im März 2017 von Energie Cottbus mit einem „Erscheinungsverbot“ belegt; das heißt, sie darf ihre Symbole nicht im Stadion zeigen. Seit der Auflösung von IC99 ist auch UJC nicht mehr aktiv. Der Druck auf die Cottbuser Hooligans war gestiegen, nachdem diese bei mehreren Spielen während der Saison 2016-2017 randaliert und den Hitlergruß gezeigt hatten. Zudem fand im Januar 2017 in der Cottbuser Innenstadt ein unangemeldeter Neonazi-Aufmarsch statt, der dem Umfeld von IC99 zugerechnet wird.
Im Stadion gehen die extrem rechten Gruppen gegen nicht-rechte und antirassistische Energie-Fans mit Repressalien vor. Die nicht-rechte Ultragruppe Ultima Raka wurde von IC99 derart eingeschüchtert, dass sie schließlich 2017 ihre Aktivitäten vorerst einstellte. Solche Machtdemonstrationen funktionieren auch außerhalb des Stadions. So überfielen etwa 20 vermummte Neonazis aus der Fanszene 2016 einen alternativen Klub, der sich in der Nähe des Stadions befindet, und verletzten zwei Besucherinnen.
Rechte Erlebniskultur
Gruppen wie IC99 sind hierarchisch organisiert, nutzen das Stadion als Rekrutierungsfeld und politisieren junge Interessierte durch Kader im Hintergrund. Das Stadion ist für junge Menschen eine Erlebniswelt: Verbale und tätliche Auseinandersetzungen mit verfeindeten Fans sind ein Abenteuer und stiften Sinn. Neonazis nutzen die Ultra- und Hooligan-Kultur, weil sie ideologisch leicht an Themen wie Kampf, Sieg, Ehre und Stolz auf den eigenen Verein sowie Konkurrenz und Feindschaft gegenüber anderen Vereinen anknüpfen können. Durch die Mitgliedschaft in einer Männergemeinschaft und das Schüren von Feindbildern werden Jugendliche an rechtes Gedankengut herangeführt. Sexismus und Homophobie sowie Rassismus und Antisemitismus sind klassische Elemente des Selbstverständnisses der extrem rechten Fangruppen. Grobe frauen- und judenfeindliche Beleidigungen gegnerischer Fans, besonders wenn diese als links gelten, sind an der Tagesordnung.
Die Fußballfangruppen sind direkt mit neonazistischen Organisationen verknüpft. So kann das Führungsmitglied von IC99, William Puder, der verbotenen Widerstandsbewegung Südbrandenburg (auch als „Spreelichter“ bekannt) zugerechnet werden. 2012 wurde bei Puder im Zuge des Verbotsverfahrens gegen die Vereinigung eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Neonazis führen daneben auch selbst „Nationale Fußballturniere“ durch, um Mitglieder zu werben und zu binden. So veranstaltete der Funktionär der Neonazi-Partei III. Weg, Maik Eminger, 2015 ein Turnier in Grabow (Potsdam-Mittelmark). Auch in Cottbus finden solche Turniere statt.
Neonazi-Netzwerke
Rechte Fangruppierungen pflegen untereinander Fanfreundschaften. So sind Hooligans aus Frankfurt (Oder) mit Cottbuser Fans verbandelt. IC99 pflegt wiederum Kontakte zu den neonazistischen Ultras von New Society (NS-Boys) aus Chemnitz, zu denen von Scenario Lok Leipzig und von der Stuttgarter Gruppe Commando Cannstadt 1997 sowie zu den polnischen Ultras Beskid Andrychów.
Neben den Fanfreundschaften sind extrem rechten Hooligans teilweise mit dem Kampfsport- und Rockermilieu verbunden. Der Inferno-Mitbegründer und „Spreelichter“-Aktivist Markus Walzuck war bis 2012 im Kickboxteam Cottbus (KBTC) aktiv. Das KBTC geriet wegen der Verbindungen von Walzuck und weiterer Vereinsmitglieder in die rechte Szene in Verruf. 2013 kam es in Cottbus schließlich zu einem gewaltsamen Konflikt zwischen dem neonazistischen Kampfsportlermilieu und dem Rockerklub Hells Angels, in dessen Folge Walzuck eine mehrjährige Haftstrafe absitzen musste. Er hatte einen Rocker durch Messerstiche schwer verletzt. Seit 2016 ist er wieder in der Neonazi-Szene aktiv.
Neonazistische Fußballfans beteiligen sich in den letzten Jahren auch an asylfeindlichen Protesten, zum Beispiel in Brandenburg an der Havel, Rathenow und Frankfurt (Oder). Bei den Demonstrationen des neurechten Vereins Zukunft Heimat, die seit 2017 regelmäßig in Cottbus stattfinden, laufen ebenfalls Neonazis aus der Fußballfanszene mit. Im Umfeld dieser Demos, deren Friedfertigkeit die Organisator*innen gern betonen, griffen Hooligans Gegendemonstrant*innen an.