© Aktionsbündnis Brandenburg
Die Grenzen der demokratischen Debatte
In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause stellte der Landtag Brandenburg fest:
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In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause stellte der Landtag Brandenburg fest:
„Das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg ist auch zukünftig ein Kernpunkt bei der Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen und rassistischen Einstellungen.“ Es ist ein wichtiger und bewährter Bestandteil in der demokratischen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit und hat wesentlich dazu beigetragen, das Bild eines weltoffenen und toleranten Brandenburgs nach außen zu tragen.
Gleichwohl stellte die Fraktion der AfD in derselben Sitzung den Antrag, Projekte gegen Rechtsextremismus und Rassismus einzustellen. In dem seit 1998 existierenden Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg glaubte der AfD-Fraktionsvorsitzende Andreas Kalbitz Verbindungen zum Linksextremismus und ein Instrument der Landesregierung zur Unterdrückung der AfD zu erkennen. Das Programm gegen Rechtsextremismus sei in den 1990er Jahren gerechtfertigt gewesen, doch inzwischen überholt, meinte Kalbitz – nur wenige Tage bevor der Verfassungsschutz mitteilte, dass die Zahl der Rechtsextremen in Brandenburg seit 1993 einen neuen Höchstwert erreicht hat. Die AfD bezeichnete Kalbitz als „demokratische Opposition“ – und unterstellte damit, die anderen Parteien und die Landesregierung seien Teil eines diktatorischen Regimes.
Die AfD fällt immer wieder mit Initiativen auf, Projekte für Demokratie und gegen Rechtsextremismus zu bekämpfen. Für Meinungsfreiheit scheint sich die Partei nur einzusetzen, wenn es um die eigenen Ansichten und die eigene Klientel geht. Seit Monaten überhäuft sie die Landesregierung mit Kleinen Anfragen: sei es zum Piccolo Theater in Cottbus, zum Kulturzentrum freiLand in Potsdam, zu den Demonstrationen „Fridays for Future“, zu der Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“ an der Käthe-Kollwitz Gesamtschule in Mühlenbeck oder zu „Genderlehre an brandenburgischen Hochschulen“. Die AfD versucht damit all jene zu diskreditieren, die für eine vielfältige, offene Gesellschaft stehen.
Nach den Kommunalwahlen
Waren solche Anträge und Anfragen bisher vor allem aus dem Landtag zu vernehmen, sind sie nach den Kommunalwahlen künftig auch vermehrt in den Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen Brandenburgs zu erwarten. Bei den Kommunalwahlen am 26. Mai hat die rechtsextreme NPD statt 20 nur noch fünf Mandate in den Kreistagen und kreisfreien Städten erhalten; die Republikaner konnten keinen Sitz erringen. Die AfD dagegen hat im Landesdurchschnitt 15,9 Prozent der Stimmen erreicht und ist in alle Kreistage und viele Parlamente der Städte und Gemeinden eingezogen. Unmittelbar vor Ort werden fortan rechte Kommunalpolitikerinnen und -politiker Initiativen für demokratische Teilhabe, politische Bildung, Integration oder kulturelle Vielfalt diffamieren, als „linksextrem“ verunglimpfen und mit Anfragen und Auskunftsersuchen überziehen.
Unter den neuen Gesichtern in den kommunalen Parlamenten sind viele, die in der Vergangenheit mit Äußerungen aus dem Sprachschatz des Rechtsextremismus aufgefallen sind. Das Aktionsbündnis Brandenburg hat in einer Artikelreihe vor der Wahl rechtsextreme Tendenzen im Kommunalwahlkampf vorgestellt, das Moses-Mendelssohn-Zentrum eine Studie zum Thema veröffentlicht. Die AfD vertritt künftig beispielsweise in Cottbus Andy Schöngarth, der auf seinem Facebook-Profil mit Neonazi-Bands sympathisiert; im Kreistag Elbe-Elster Helfried Ehrling, der an einen geplanten Austausch der deutschen Bevölkerung mit Flüchtlingen glaubt; Matthias Lentzsch, der Texte mit antisemitischen sprachlichen Bildern veröffentlicht; in der Stadtverordnetenversammlung Rathenow sitzt Ralf Maasch, der 2017 für eine Solidaritätskundgebung für Holocaustleugner geworben hatte; Michael Stübner verbreitet auf Facebook Vorstellungen von Angela Merkel als angeblicher Jüdin, die Deutschland zerstören wolle.
Rote Karte für Rassismus und Antisemitismus
Angesichts zweifelhafter Forderungen in den Kommunalwahlprogrammen und radikaler Äußerungen selbst des Spitzenpersonals der AfD können diese Vorkommnisse nicht als Einzelfälle abgetan werden. Demokratische Kommunalpolitikerinnen und -politiker sollten sich deshalb dieses politische Milieu vor Augen führen, wenn sie fortan mit den Abgeordneten der AfD in den Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen in Kontakt kommen. Es ist wichtig, kritisch zu prüfen, ob eine normale Zusammenarbeit mit jenen möglich ist, die Rassismus und Antisemitismus verbreiten, politische Gegnerinnen und Gegner als Feinde bekämpfen wollen und gegen die Demokratie agitieren.
Demokratie braucht Meinungsvielfalt und den politischen Streit – doch der Debatte sind dort Grenzen gesetzt, wo andere Menschen diskriminiert und beleidigt, wo Menschenwürde, Demokratie und Freiheit angegriffen werden. Das Aktionsbündnis Brandenburg mit seinen Vertreterinnen und Vertretern aus Bürgerinitiativen, Verbänden und Institutionen hat bereits 2017 bekräftigt, sich gegen menschenverachtenden Rechtspopulismus zu stellen und über demokratiefeindliche Ziele der AfD aufzuklären. Und auch die Politik hat sich verpflichtet und es mit dem Artikel 7a in Brandenburg zum Verfassungsauftrag erhoben, der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegenzutreten. Wer die Grenzen der demokratischen Debatte bewusst und willentlich verletzt, hat keine Diskussion, sondern die Rote Karte verdient.