Wir haben uns daher die Kandidat*innen genauer angesehen: Gibt es Hinweise auf demokratiefeindliche, rassistische oder antisemitische Einstellungen? Bis zu den Wahlen werden wir uns in regelmäßigen Abständen verschiedenen Themenbereichen widmen.
Rassismus als Normalität?
Die Ablehnung von Migration und Asyl ist verbindendes Element der verschiedenen rechten Strömungen und Parteien. Häufig ist sie mit rassistischen Vorstellungen verknüpft, die mehr oder weniger offen geäußert werden. Diese rechtfertigen aus Sicht ihrer Träger*innen Ausgrenzung, Diskriminierung und sogar Gewalt. Sie offenbaren zugleich eine erschreckende Nähe zu Mustern rechtsextremen und völkischen Denkens.
Plakative Parolen und Kampfbegriffe
Seit dem kurzzeitigen Anstieg der Zahl der Asylsuchenden um 2015 hat sich Feindschaft gegenüber Flüchtlingen massiv verbreitet. Innerhalb weiter Teile der Gesellschaft sind abwertende Vorstellungen über Migrant*innen Normalität geworden und müssen gar nicht mehr begründet werden. Auf einschlägigen Internet- und Facebook-Seiten rechter Gruppen werden sie pauschal mit Kriminalität in Verbindung gebracht, mit sexualisierter Gewalt oder mit Sozialmissbrauch. Zusammenhangslos und ungeprüft werden tatsächliche oder vermeintliche Berichte weiterverbreitet, die weniger der Information als vielmehr der Bestätigung eigener Ressentiments und politischer Propaganda dienen. Ingo Hubatsch etwa, Kandidat der AfD für den Kreistag von Oberspreewald-Lausitz, stellt bei Facebook heraus, dass „angeblich minderjährige, angebliche ,Flüchtlinge‘“ Geld erhalten würden, das für andere Menschen im Land nicht vorhanden sei. In einem weiteren Beitrag bezeichnet er Geflüchtete als „Invasoren“. Auch die rechtsextreme NPD verbreitet auf Plakaten die Parole „Stoppt die Invasion“, und weiter: „Migration tötet“. Bei der Neonazi-Partei Der III. Weg heißt es dagegen „Multikulti tötet“.
Hinter solchen Äußerungen steht nicht Sorge vor den Herausforderungen von Migration und Integration, sondern die Ablehnung von jenen, die zu Fremden erklärt werden. Dies kann auch Deutsche treffen. Mario Kuczera etwa kritisiert auf Facebook, dass Politiker*innen mit Migrationshintergrund in Deutschland zu Wahlen antreten. Statt für konservative, sozialdemokratische oder grüne Politik ständen diese für eine angebliche Islamisierung, schreibt der Kandidat für die Stadtverordnetenversammlung Seelow und den Kreistag Märkisch-Oderland.
Deutsch als Frage der Hautfarbe
In Vorstellungen, dass Nicht-Weiße keine Deutsche sein können, offenbart sich altbekannter Rassismus. Er ist gekennzeichnet von dem Glauben, dass tatsächliche oder vorgestellte Merkmale entlang kultureller oder biologischer Muster menschliche Gruppen unterscheiden und ihre einzelnen Mitglieder bestimmend prägen würden. Gesellschaftliche und soziale Probleme werden somit äußeren Gruppen zugeschrieben. Leyla Bilge, AfD-Kandidatin für den Landkreis Havelland und die Stadtverordnetenversammlung Falkensee, sieht Gewalt gegen Frauen in Deutschland fast gänzlich als Problem des Islam und der Zuwanderung. Bei einer Demonstration verglich sie Flüchtlinge mit einer Schlange, die über die Deutschen – eine „süße Zuckermaus“ – herfallen würden.
Die Abschaffung von Sozialleistungen für Flüchtlinge und die Einschränkung des Asylrechts gehören zum Standardrepertoire rechter Forderungen. AfD-Politiker Helfried Ehrling erinnert sich bei Facebook wehmütig, dass algerische Gastarbeiter früher „von den deutschen Jung’s auch richtig auf’s Maul“ bekommen hätten und abgeschoben worden seien. In anderen Beiträgen, die der Kandidat für die Stadtverordnetenversammlung von Elsterwerda und den Kreistag von Elbe-Elster teilt und verbreitet, wird Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Islamisierung Europas oder „Stasi-Merkel“ gar ein Völkermord an Europa unterstellt.
Zwischen Biologismus und Verschwörungsideologie
Rassismus überschneidet sich auch mit anderen Elementen rechtsextremen Denkens. Tief verankert ist inzwischen die Vorstellung einer angeblich bewussten und gesteuerten Fluchtbewegung nach Europa. So verbreitet Volker Nothing, Kandidat der AfD für die Stadtverordnetenversammlung von Elsterwerda und den Kreistag von Elbe-Elster, bei Facebook einen Beitrag „Bevölkerungsaustausch ist keine Verschwörungstheorie“. Dahinter steckt der Gedanke, dass angebliche internationale Eliten die deutsche Bevölkerung als Gemeinschaft schwächen wollen. Ingo Hubatsch versprach auf einem AfD-Parteitag, sich dieser „Politik der Zersetzung und Zerstörung der Gesellschaft“, dieser „Globalistenpolitik“ entgegenzustemmen. Dies erinnert nicht nur an biologistische Vorstellungen von Volk als einer Einheit, die durch äußere Einflüsse verunreinigt würde. Hier klingen auch Verschwörungsideologien an, die ein großes Komplott gegen das Deutsche Volk herbeifantasieren. Michael Stübner, Kandidat der AfD für die Gemeindevertretung von Rüdersdorf, teilt und verbreitet dementsprechend auf seiner Facebook-Seite nicht nur Posts über Kriminalität von Zugewanderten. Zugleich gilt dort Angela Merkel als Jüdin, die dem israelischen Parlament möglicherweise die Zerstörung Deutschlands versprechen würde, es wird verschwörungsideologisch über geheime Bilderberg-Dokumente geraunt oder eine vermeintlich gefährliche Schulmedizin als Erfindung der Rockefellers dargestellt.
Die Härte und Vehemenz, mit der im Rassismus Zuwanderung und Asyl abgelehnt werden, kann gefährlich werden. „Wer das Volk abschaffen will, braucht sich nicht zu wundern wenn das Volk diese Leute zu erst abschafft“, schreibt der brandenburgische Landesverband der Republikaner im Internet. Jene, die Anschläge auf Flüchtlinge, deren Unterkünfte oder demokratische Politikerinnen und Politiker verüben, könnten solche Zeilen als Ermutigung deuten.
Nachtrag: Inzwischen, so berichtet die Märkische Allgemeine, versucht der Bundesverband der Republikaner, den Landesvorsitzenden von Brandenburg seiner Ämter zu entheben. Offenkundig ist der Landesverband selbst der rechten Partei zu radikal.