Wahlcheck: Antisemitismus
Am 26. Mai 2019 sind in Brandenburg Kommunalwahlen – in 14 Landkreisen mit 413 Gemeinden und den vier kreisfreien Städten.
Am 26. Mai 2019 sind in Brandenburg Kommunalwahlen – in 14 Landkreisen mit 413 Gemeinden und den vier kreisfreien Städten.
Wahlzeiten werden besonders von rechten Parteien genutzt, um die Stimmungen in der Bevölkerung weiter anzuheizen. Wir haben uns daher die Kandidat*innen genauer angesehen: Gibt es Hinweise auf demokratiefeindliche, rassistische oder antisemitische Einstellungen? Bis zu den Wahlen werden wir uns in regelmäßigen Abständen verschiedenen Themenbereichen widmen.
Antisemitismus ist ein zentraler Bestandteil rechtsextremen Denkens. Seit dem Holocaust ist Feindschaft gegenüber Jüdinnen*Juden jedoch gesellschaftlich geächtet und wird zum Teil strafrechtlich verfolgt. Antisemitische Motive tauchen deshalb vor allem als Symbole und Codes auf oder versteckt in vermeintlicher Kritik an Israel.
Solidarisierung mit Holocaustleugnern
Immer wieder geht es dabei um den Holocaust. Rechtsextreme, versuchen, die Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen*Juden im Nationalsozialismus zu relativieren und kleinzureden, indem sie andere Ereignisse mit dem Holocaust auf eine Stufe stellen. Ronny Zasowk, stellvertretender Landesvorsitzender der NPD Brandenburg und Stadtverordneter in Cottbus, bezeichnete im Februar 2019 etwa die Bombardierung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg als „Bombenholocaust“. Ein Jahr zuvor hatte auch ein Redner bei einer Kundgebung des rechtsextremen Bürgerbündnis Havelland in Rathenow vom „Bombenholocaust der Alliierten an den Deutschen in Dresden“ gesprochen. Anmelder der Kundgebung war Ralf Maasch. Er ist seit 2014 AfD-Mitglied und hat das Bürgerbündnis im Januar dieses Jahres verlassen. Nun will er für die AfD in die Stadtverordnetenversammlung von Rathenow einziehen. Sein früherer Mitstreiter im Bürgerbündnis, Christian Kaiser, versucht dies dagegen auf der Liste der Republikaner.
Einige Rechtsextreme gehen noch weiter und leugnen offen den Holocaust. Werden sie dafür strafrechtlich belangt, können sie sich der Unterstützung in neonazistischen, aber auch zum Teil in rechten Kreisen sicher sein. Christian Kaiser etwa solidarisierte sich bei einer Kundgebung im Sommer 2018 mit der verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Ralf Maasch hatte bereits im Mai 2017 für eine Solidaritätsaktion für den Holocaustleugner Horst Mahler geworben. Noch im Februar 2019 teilte und verbreitete er bei Facebook einen Beitrag Haverbecks. Für die NPD tritt derweil zum wiederholten Mal Thomas Haberland an, der in die Stadtverordnetenversammlung von Prenzlau und den Kreistag Uckermark einziehen will. Er hatte im September 1992 im früheren Konzentrationslager Sachsenhausen eine jüdische Baracke angezündet und dafür eine dreijährige Haftstrafe abgesessen.
Zwischen Verschwörungsdenken …
Auch der AfD-Kandidat Matthias Lentzsch aus Hohenleipisch relativiert den Holocaust, wenn er auf Facebook einen Beitrag teilt und verbreitet, der die EU mit dem Vernichtungslager Auschwitz vergleicht. Artikel auf dem Blog des Bewerbers für den Kreistag Elbe-Elster zeigen jedoch einen subtileren Ton. Für Migration nach Europa und Reformen der Europäischen Union wird hier als vermeintlicher heimlicher „Strippenzieher“ der US-amerikanische jüdische Philanthrop und Investor George Soros ausgemacht. Lentzsch orakelt über eine „Neue Weltordnung“ und spekuliert, dass Soros die Welt nach seinen Vorstellungen, aber nicht zum Wohle der Menschen verändern wolle. Solche Äußerungen knüpfen an Vorstellungen antisemitischer Verschwörungsideologien an, die Juden als heimliche Hintermänner politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen ausmachen. Soros wurde in den letzten Jahren immer wieder Ziel antisemitischer Kampagnen. Ronny Zasowk von der NPD etwa unterstellt Soros „gezielte Destabilisierung“ von Staaten und schwadroniert von einer „Antisemitismus-Keule“, mit der bestimmte Äußerungen unterbunden würden.
… und Israelfeindschaft
Antisemitische Ressentiments finden gegenwärtig auch Ausdruck in der sogenannten Israelkritik. Dabei geht es nicht um die Kritik israelischer Politik nach moralischen oder ethischen Maßstäben, sondern um doppelte Standards und die Dämonisierung und Delegitimierung des Landes. Israel sei ein Unterdrückerstaat, fördere Nationalsozialismus in den besetzten Gebieten und verfolge eine Politik der Vernichtung, heißt es etwa in einem Facebookbeitrag von Robert Ketelhohn, Kandidat der AfD für die Stadtverordnetenversammlung von Velten (Landkreis Oberhavel). Das Land gilt ihm als „künstliche Implantation“, als „vollständig landesfremdes zionistisches Staatsgebilde“ im Nahen Osten. Dementsprechend wird Israel nur in Anführungszeichen genannt. In anderen Beiträgen wendet sich Ketelhohn gegen die Kritik am Antisemitismus oder empfiehlt seinen Lesern die Lektüre dubioser Texte über mittelalterliche, antijüdische Ritualmordlegenden.
Mangelnde Sensibilität gegen Jüdinnen*Juden oder sogar offene Feindschaft ist nicht nur Thema einzelner Personen. Sie findet sich sogar in Wahlprogrammen. So fordern etwa die AfD-Verbände des Landkreises Dahme-Spreewald und des Landkreises Teltow-Fläming ein Verbot des Schächtens, das in jüdischen – und muslimischen – Speisegeboten wichtig ist. Dies würde religiöses jüdisches Leben unmöglich machen. Auch ist die Agitation gegen das Schächten altbekanntes Motiv antisemitischer Anfeindungen. Der AfD-Kreisverband von Ostprignitz-Ruppin wendet sich sogar gegen die öffentliche Förderung des Baus nicht-christlicher Gotteshäuser. Die bisherige Praxis des Neubaus von Synagogen, aber auch der Wiedererrichtung von im Nationalsozialismus zerstörten Gebäude wäre damit unmöglich.
Judenfeindschaft wird in der populistischen und extremen Rechten gerne angeprangert, wenn sie Gelegenheit zu Äußerungen gegen Migrant*innen bietet. Eine kritische Abgrenzung vom Antisemitismus in den eigenen Reihen findet allerdings nicht oder nur auf Druck der Öffentlichkeit statt.