Stadt Gießen
Rassismus als Markenzeichen
Angesichts ihrer personellen und inhaltlichen Schwächen versucht die NPD vorrangig, ihrer Anhängerschaft zu gefallen. Eine Analyse des Wahlkampfs der Partei in Brandenburg
Stadt Gießen
Angesichts ihrer personellen und inhaltlichen Schwächen versucht die NPD vorrangig, ihrer Anhängerschaft zu gefallen. Eine Analyse des Wahlkampfs der Partei in Brandenburg
14 Männer und zwei Frauen stehen auf den Stufen der ehemaligen Förderschule in Premnitz, die zu einem Flüchtlingswohnheim ausgebaut werden soll. „Nein zum Heim“ und „Einmal Deutschland und zurück“ steht auf den Transparenten: Wahlkampf der NPD in Brandenburg. Ein Blick auf die Kundgebungsteilnehmer_innen zeigt, dass es dem brandenburgischen Landesverband schwer fällt, sich bürgernah zu geben: Kahlrasierte Schädel, auf den T-Shirts steht „Hatecore“, ein Redner ist wegen Beihilfe zum versuchten Mord an Asylbewerbern vorbestraft.
Mit solchen kleinen Kundgebungen bestreitet die NPD ihren Bundestagswahlkampf im Land Brandenburg. Auf der Facebook-Seite des Landesverbands wird jeder Infostand gefeiert. Auf größere Aktionen verzichtet der Landesverband, nachdem Aufmärsche zuletzt kläglich scheiterten, weil sie vor allem zahlreiche Gegendemonstrant_innen auf den Plan riefen.
„Ihre Knochen müssen zittern“
Protesten versucht die Partei seitdem aus dem Weg zu gehen, indem Infostände und Kundgebungen nicht angekündigt werden. Gibt es dennoch Proteste, schrecken die NPD-Funktionär_innen nicht vor Gewalt zurück. So schlugen Anfang August Teilnehmer_innen einer NPD-Veranstaltung vor der Zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt auf Gegendemonstrant_innen mit Fahnenstangen ein und attackierten sie mit Reizgas.
Solche Angriffe liegen auf der Linie des Landesvorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten (JN), Pierre Dornbrach: „Es geht nicht darum ein halbes Prozent mehr oder weniger zu erreichen. Es muss darum gehen, dem Gegner das Fürchten zu lehren.“ [sic] Dornbrach will, so schreibt er in einem Beitrag auf einer neonazistischen Webseite, den jungen NPD-Aktivist_innen „den Wahlkampf eben wirklich als Kampf verständlich (…) machen.“ Der Ideologe aus Teltow-Fläming ruft zur Störung der Veranstaltungen demokratischer Parteien auf. Seine Vision: „Ihre Knochen müssen zittern, wenn sie unsere Namen hören oder uns nur vom weitem sehen“ [sic]. Ihm stehen offenkundig die Überfälle von SA-Schlägertrupps auf Versammlungen der Arbeiterparteien in der Weimarer Republik vor Augen. Das ist weit entfernt von der Strategie der „seriösen Radikalität“ des Parteivorsitzenden Holger Apfel.
Rassismus kann die NPD am besten
Im letzten Jahr hatte die NPD noch versucht, sich als Anti-Euro-Partei zu profilieren. Nahezu sämtliche öffentliche Auftritte standen in Brandenburg unter dem Motto „Raus aus dem Euro“. In der heißen Wahlkampfphase besinnt sich die NPD jetzt darauf, was sie wirklich kann: Rassismus. Sie setzt darauf, Stimmung zu machen gegen neu entstehende Flüchtlingswohnheime und ist bemüht, Vorurteile gegen Roma aufzugreifen und anzufachen. Im Fokus steht für die Partei dabei, ihre eigene Klientel sowie Stammwähler_innen zum Urnengang zu bewegen. Die fühlen sich auch deutlich angesprochen, wie man auf der Facebook-Seite des NPD-Landesverbands sehen kann. So schreibt ein User unter einem Artikel zur Wohnungsunterbringung von Flüchtlingen in Prenzlau: „Wenn die in meine Nähe kommen, brenn ich das Haus ab. Sowas muss ich hier nicht haben“ [sic]. Eine Userin schreibt: „Auf keinen Fall. Wir haben genug Viehzeug hier“.
Mit ihren aktuellen Plakaten schielt die NPD aber nicht nur auf ihre direkte Anhängerschaft. Die Slogans „Maria statt Scharia“ oder „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“ knüpfen an gesellschaftlich weit verbreitete rassistische Vorurteile an. Die extrem rechte Partei versucht sich so, bürgernah als Stellvertreterin der „kleinen Leute“ zu inszenieren, die sich traut, laut vermeintliche Probleme anzusprechen. „Volksnah und unkonventionell“ heißt das beim Parteivorsitzenden Apfel. Dass es durchaus gelingen könnte, mit solchen Parolen auch bürgerliche Wähler_innen zu gewinnen, zeigen Meinungsumfragen. Immerhin gibt es für islamfeindliche Aussagen in der Bevölkerung Zustimmungswerte zwischen 50 und 60 Prozent.
Ungestraft hetzen?
Die Plakate der NPD hängen nicht flächendeckend im Land; der Personalmangel macht der Partei offenbar zu schaffen. Dafür kommt die NPD wieder einmal mit kalkulierten Provokationen in die Öffentlichkeit. Im Berliner Wahlkampf 2011 hatte sie, unter anderem vor dem Jüdischen Museum in Berlin, Wahlplakate mit der Parole „Gas geben“ aufgehängt. 2013 heißt es auf dem am stärksten umstrittenen Plakat: „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“. Das Plakat zeigt, hinter dem NPD-Logo, eine ängstlich dreinblickende ältere Frau.
Der hessische Landesausländerbeirat erklärte am 5. September, Sinti und Roma würden durch die Kampagne in pauschaler Weise herabgewürdigt, und forderte die hessischen Kommunen auf, die Hetzplakate abzuhängen. Unter anderem in Gießen, Wiesbaden, Hanau und Bad Hersfeld ließen die Stadtverwaltungen die NPD-Propaganda entfernen.
Daraufhin erließ das Verwaltungsgericht Kassel auf Antrag der NPD eine einstweilige Anordnung, die Bad Hersfeld verpflichtete, die Plakate wieder anzubringen. Es handele sich, so das Gericht, um eine zulässige Meinungsäußerung. Viele Bürger_innen sahen dies anders und hatten bundesweit aufgrund des Plakats Anzeigen erstattet. Ohne Erfolg: Die Staatsanwaltschaften in Duisburg, Gera und Neuruppin erkennen in der NPD-Parole keine Straftat. Volksverhetzung ist ein eng definierter Straftatbestand, der unterbinden soll, dass gegen bestimmte Gruppen zu „Gewalt- oder Willkürmaßnahmen“ aufgefordert wird. Oft trifft das bei den angezeigten NPD-Parolen nicht zu. Das macht die Aussagen nicht weniger rassistisch. Aber hier müssen auch andere als strafrechtliche Gegenmaßnahmen ansetzen. In Gießen wurden, neben den Hetzplakaten der NPD, auch ein Plakat aller demokratischen Fraktionen angebracht, auf dem es heißt: „Meine Oma mag auch Sinti und Roma.“
„Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“
Was mit dem scheinbar sinnlosen Spruch gemeint ist, steht in einem Flugblatt mit demselben Motiv. Dass die NPD von Sinti und Roma spricht, ist eine dem Endreim geschuldete Ausnahme. In dem Faltblatt heißt es in der üblichen Hass-Sprache: „Die hohe Kriminalitätsrate unter Zigeunern hat dazu geführt, daß sich ältere Deutsche in vielen überfremdeten Stadtvierteln kaum noch auf die Straße trauen.“ [sic] Für diese Behauptung wird kein Beispiel genannt, geschweige denn ein Beleg angeführt. Den gibt es auch nicht. Belegen kann man dagegen, dass ältere Menschen oft Opfer von Haustürbetrug und Raub werden. Aber auf wirkliche Sicherheitsprobleme von Senior_innen geht die NPD mit keinem Wort ein. Stattdessen fordert sie erwartungsgemäß „die Ausgliederung von Ausländern aus dem Sozialsystem“.
Die Kriminalitätsängste älterer Menschen werden ausgenutzt, um Menschen, die einer in unserem Land anerkannten Minderheit angehören, die Bürgerrechte abzusprechen. Sinti sind Deutsche, ebenso wie Sorb_innen, Fries_innen und die Dän_innen in Schleswig-Holstein. Roma ist eine Sammelbezeichnung für Rom-Völker, zu denen auch die Sinti gehören. Heute gibt etwa 60.000 deutsche Sinti und Roma sowie schätzungsweise 50.000 Roma, die als EU-Bürger_innen in Deutschland leben. In der nationalsozialistischen Weltanschauung der NPD aber gilt nur als deutsch, wer im Dritten Reich einen Ariernachweis erhalten hätte.
Dem Völkermord der Nazis fielen hunderttausende Sinti und Roma zum Opfer. Bei Holocaustüberlebenden hat die Plakatkampagne der NPD Ängste wachgerufen. Das berichtete der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats, hat deshalb an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger geschrieben und sie aufgefordert, rechtliche Möglichkeiten zu schaffen, um „Wahlwerbemittel, die sich gezielt gegen Minderheiten richten und sie pauschal aufgrund der Abstammung diskriminieren“ zu verbieten. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten unterstützt diesen Vorstoß. „Es ist unerträglich, dass entlang der Straßen, auf denen Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe vor 70 Jahren unter Schlägen ins KZ getrieben wurden, heute die NPD mit Plakaten gegen Sinti und Roma hetzt“, so Stiftungsleiter Günter Morsch.
„Maria statt Scharia“
„Maria statt Scharia“ steht auf einem weiteren NPD-Plakat, das ebenfalls Gegenstand zahlreicher Strafanzeigen ist. Eine blonde, blauäugige Frau is darauf zu sehen, die den Blick direkt in die Kamera richtet. Im Hintergrund sieht man eine mit schwarzem Kopftuch und Schleier verhüllte Frau mit dunklen Augen, die seitlich in die Kamera blickt. Vor den Bildern der Frauen steht mit großen Buchstaben: „Maria statt Scharia“. Die Aussage des Plakates ist ebenso sinnlos wie jenes, das sich gegen Sinti und Roma richtet: Einer blonden Frau, die angeblich Maria heißt, soll der Vorzug gegenüber dem islamischen Recht gegeben werden – was hat das mit der Wahl zum Deutschen Bundestag zu tun?
Die abgebildete Frau und der Name Maria sollen für die Deutschen stehen, wie die NPD sie sieht: „arisch“, blond und blauäugig – nationalsozialistische Rassenkunde. Dabei geht die Partei wohl davon aus, Maria sei ein deutscher Name. Er stammt jedoch aus dem Hebräischen und ist eine Ableitung von Mirjam. Maria hieß im Alten Testament eine Prophetin und Schwester von Moses, im Neuen Testament die Mutter von Jesus. Beide waren Jüdinnen. Dass die NPD sich für Jüdinnen stark machen will, ist kaum anzunehmen. Eher geht es ihr darum, mit einem knackigen Reim gegen eine andere Religion zu hetzen.
Die verschleierte Frau im Hintergrund und der Begriff Scharia sollen symbolisch für die Muslim_innen und die gesamte islamische Kultur stehen. Die NPD will einen Gegensatz zwischen einer deutschen, christlichen-abendländischen Kultur und einer muslimischen, morgenländischen Kultur nahelegen. Die Partei will sich als Bollwerk gegen eine vorgestellte „Islamisierung Deutschlands“ präsentieren. Die droht der NPD zufolge etwa im Landkreis Elbe-Elster. Die Partei entdeckte im Februar 2013, dass in dem Dorf Trebbus eine islamische Gemeinde ein Gehöft gekauft und saniert hat. Übersehen hat die NPD, dass die Gläubigen allesamt Deutsche sind, die seit 20 Jahren auf dem Hof leben.
Das Ziel ist der Potsdamer Landtag
Die Bundestagswahlen sind für die brandenburgische NPD auch ein Testlauf für die Kommunalwahlen im Mai 2014 und die Landtagswahlen in etwa einem Jahr. Das wichtigste Ziel des Landesverbands ist der Einzug in den brandenburgischen Landtag. Erfolge kann die NPD derzeit bei Landtagswahlen nicht feiern. In Bayern wählten so wenig Menschen NPD, dass die Partei keine Wahlkampfkostenrückerstattung erhalten wird; auch bei den hessischen Landtagswahlen, die parallel zu den Bundestagswahlen stattfinden werden, könnte dies geschehen.