© Depositphotos
Muslimisches Leben in Deutschland in 10 Zahlen
Über keine Religion wird so viel gestritten wie über den Islam. Gleichzeitig sagt eine Mehrheit der Deutschen, dass sie über den Islam kaum etwas wissen.
© Depositphotos
Über keine Religion wird so viel gestritten wie über den Islam. Gleichzeitig sagt eine Mehrheit der Deutschen, dass sie über den Islam kaum etwas wissen.
Wie viele Muslime gibt es überhaupt? Wie oft beten die Gläubigen und sind sie für Deutschland beim Fußball? Zehn Zahlen zum deutschen Islam.
21 Prozent
betrage der Anteil der Muslime an der Bevölkerung, so schätzen die Deutschen. Das ist falsch, tatsächlich ist in Deutschland nicht einer von fünf Muslim, sondern einer von 20. Der muslimische Bevölkerungsanteil liegt hierzulande bei knapp sechs Prozent. Unter den 82,2 Millionen Einwohner_innen sind 4,4 bis 4,7 Millionen Muslime. Nur ein kleiner Teil von ihnen – bei der letzten Erhebung 2008 waren es zwei Prozent – lebt in Ostdeutschland. [1]
2.750 Moscheen
gibt es heute in Deutschland – schätzungsweise, denn ein vollständiges Register gibt es nicht. Nur rund 350 der Gebetsstätten sind mit Minaretten von außen erkennbar, keine davon in Ostdeutschland. Die meisten Moscheen sind innerstädtische Gewerberäume. Zu diesen gehören auch die Potsdamer Al Farouk-Moschee und ein Gebetsraum in Cottbus. [2]
96 Prozent
der Muslime fühlen sich Deutschland verbunden; die Mehrheit fühlt sich gleichzeitig dem Heimatland ihrer Familien zugehörig. 54 Prozent der Muslime sind selbst eingewandert, 41 Prozent sind in Deutschland geborene Kinder Zugewanderter. Die große Mehrheit – 78 Prozent – verbringt ihre Freizeit auch mit Angehörigen anderer Konfessionen und Konfessionslosen. Für 73 Prozent ist das Deutsche ihre erste Sprache. Und über die Hälfte der Muslime ist Mitglied eines deutschen Vereins. [3]
30 Prozent
der Muslime besuchen mindestens ein Mal im Monat das Freitagsgebet. Das sind mehr als die regelmäßigen Kirchgänger unter den Protestanten (18 Prozent), aber weniger als die unten den Katholiken (33 Prozent). Der Anteil der Gläubigen, die sich als sehr religiös einschätzen, liegt bei Muslimen mit fast 40 Prozent jedoch deutlich höher als bei Christen. Von den Katholiken ist nur jeder vierte, von den Protestanten nur jeder fünfte streng gläubig. [4]
87 Prozent
der Muslim_innen und 93 der Christ_innen in Deutschland wollen in Partnerschaften leben, in denen beide Partner arbeiten. Tatsächlich sind Frauen in zwei Dritteln der muslimischen Familien aber nicht erwerbstätig. Bei Christ_innen ist eine solche traditionelle Rollenaufteilung mit 38 Prozent auch nicht ungewöhnlich, wenn auch deutlich seltener. Dass Musliminnen meist nicht arbeiten, hat weniger mit ihrer Religion als mit ihren Arbeitsmarktchancen zu tun: Weil sie durchschnittlich jünger sind, haben Musliminnen häufiger Kinder im Vorschulalter, und viele von ihnen sprechen nicht genug Deutsch. Es gibt jedoch einen religiös bedingten Unterschied: Bei elf Prozent der muslimischen Familien entscheiden Männer, ob Frauen arbeiten. [5]
Jede zweite Person
die in Deutschland dem Islam zugerechnet wird, besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. 1,4 Millionen Menschen davon kommen aus der Türkei oder haben Eltern, die dort geboren wurden. Die meisten anderen muslimischen Menschen mit deutschem Pass haben mindestens ein Elternteil aus Südosteuropa, Iran, Afghanistan oder dem Maghreb, oder kamen selbst von dort als Gastarbeiter_innen oder Flüchtlinge. [6]
92 Prozent
der 16- bis 25-Jährigen in Deutschland kennen Muslime aus der Schule, der Nachbarschaft oder von Freizeitaktivitäten. Und eine klare Mehrheit junger Menschen befürwortet ein Recht für muslimische Lehrerinnen, ein Kopftuch zu tragen, und sie lehnt Einschränkungen beim Bau von Moscheen ab. Denn: Wer persönlich Muslime kennt, empfindet den Islam weniger fremd und bedrohlich. Allerdings hat nur einer von drei Deutschen Muslime in seinem Bekanntenkreis. In Ostdeutschland sind es noch weniger, nur einer von zehn. Hier halten entsprechend zwei Drittel der Bevölkerung den Islam für eine Bedrohung. [7]
82 Prozent
der Deutschen denken beim Stichwort Islam zuerst an die Benachteiligung von Frauen. An zweiter Stelle kommt Fanatismus (72 Prozent) und an dritter Gewaltbereitschaft (64 Prozent). Das Islambild der Deutschen stimmt gut mit dem Islambild, das die deutschen Medien vermitteln, überein: Die Beiträge über den Islam behandeln nur selten religiöse und gesellschaftliche Themen wie das Zuckerfest oder den Tag der offenen Moschee. 83 von 100 Islam-Berichten in deutschen Medien handeln von Gewalt, Frauenunterdrückung, Terrorismus und Krieg. Übrigens: Die Hälfte der Deutschen weiß nach eigenen Angaben kaum etwas, jeder fünfte Deutsche weiß gar nichts über den Islam. [8]
Im Jahr 1739
ließ Friedrich Wilhelm I. in der Potsdamer Yorckstraße 1739 einen Gebetsraum für aus der Türkei stammende preußische Soldaten einrichten. Ganz in der Nähe ist bis heute ein Moscheegebäude zu besichtigen, dessen Minarett bei der Fertigstellung 1843 Potsdam überragte. Das Gebäude im maurischen Stil diente nie als Gebetsraum, es war ein Pumpenhaus zum Betrieb der Fontänen von Schloss Sanssouci. Die erste wirkliche Moschee Deutschlands, ebenfalls mit hohem Minarett, entstand 1915 in Wünsdorf. Dort waren im ersten Weltkrieg muslimische Kriegsgefangene interniert. Der Holzbau im „Halbmondlager“ wurde 1930 wegen Baufälligkeit abgerissen. [9]
44 Prozent
der Menschen in Deutschland, die sich dem Islam zugehörig fühlen, engagieren sich seit 2015 für Geflüchtete. Das sind 17 Prozent mehr als bei Christ_innen und Nichtgläubigen. Im Mittelpunkt steht die Nothilfe bei Ankunft und alltägliche Unterstützung. Eine Besonderheit war im „Flüchtlingsjahr“ 2015 das Engagement der Moscheen und islamischen Verbände für das tägliche Fastenbrechen Iftar während des Ramadan: über 300 Moscheen und unzählige private Initiativen luden Geflüchtete unter dem Motto „Deutschland sorgt für Flüchtlinge“ ein. [10]